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Ohne Umwege und Filter

Nachrichten in deutsch von Radio Jugoslawien auf Kurzwelle  ■ Von Jürgen Karwelat

Wie wichtig die Kurzwelle als Informationsquelle ist, zeigt sich immer wieder bei akuten politischen Krisen. Kein anderes Medium informiert so schnell. Hier bringen die jeweiligen Auslandssender ihre Sicht der Dinge, Meinungen kommen ungefiltert, ohne den Umweg über Nachrichtenagenturen.

Wer sich über den Bürgerkrieg (oder mittlerweile die Kriege) im auseinandergebrochenen Jugoslawien informieren möchte, der sollte unbedingt die Sendungen von „Radio Jugoslawien“ aus Belgrad anhören. Zweimal am Tag wird in deutsch gesendet. Die Station trägt noch den Namen eines Landes, das es faktisch nicht mehr gibt. Ihre Nachrichten sind ungewöhnlich für ein Land, das sich im Krieg befindet, eine Mischung von Meldungen und Meinungen unterschiedlichster politischer Richtungen. Stellungnahmen aus allen ehemaligen Teilrepubliken werden hier abgegeben. Der Sender scheint nicht ausschließlich das Verlautbarungsorgan der serbischen Regierung Milosević zu sein. So werden völlig voneinander abweichende Schilderungen und Wertungen derselben Ereignisse nebeneinander gestellt: die Ansprüche der serbischen Regierung, die Armee in Bosnien- Herzogowina tätig werden zu lassen, „um einen Genozid an den Serben zu verhindern“, werden ebenso präsentiert wie der Protest der Regierung von Bosnien-Herzogowina, die die ehemalige Bundesarmee der brutalen Aggression bezichtigt. Auch der Kritik der USA und der EG an der Belgrader Regierung wird breiter Raum gewährt; die kriegsbedingte Hyperflation ist ebenso Thema wie Streiks.

Vor zwei Jahren, zu Beginn des Umbruchs in Albanien, verfiel der bis dahin streng ideologisch ausgerichtete Sender „Radio Tirana“ (Titel einer Sendung: Der Marxismus- Leninismus — eine ewig junge Wissenschaft) auf die Idee, überhaupt keine Nachrichten mehr zu senden und an deren Stelle eine Presseschau zu setzen. Motto: sich nur nicht den Mund verbrennen und andere reden lassen. „Radio Jugoslawien“ fährt eine andere Strategie: Möglichst viele, möglichst alle Positionen werden in die Nachrichtensendungen aufgenommen, um sich damit ebenfalls zwischen miteinander unvereinbaren Positionen zu bewegen. Das Ganze wirkt merkwürdig konturenlos und verwirrend, ist aber — hat man sich einmal darauf eingestellt — sehr informativ. Schade nur, daß der Sender wegen maroder Anlagen und ungünstigen Frequenzen manchmal nur mit Störungen empfangbar ist.

Eine gute Ergänzung sind auch die Nachrichten von „Radio Österreich International“, die sich als unmittelbare Nachbarn sehr intensiv um Ex- Jugoslawien kümmern.

Radio Jugoslawien sendet täglich auf deutsch von 19.30 bis 20.15Uhr auf 9.620KHz (31m-Band) und von 21.30 bis 22Uhr auf 6.100KHz (49m-Band). Radio Österreich International sendet täglich auf deutsch fast zu jeder vollen Stunde eine 30-Minuten-Sendung. Die Hauptfrequenzen sind 5.945 und 6.155KHz (49m-Band), 11.780KHz (25m-Band) und 15.450KHz (19m-Band).

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