New York Stories

■ Gerhard Midding sprach mit Robert De Niro über seine eigene Produktionsfirma und was er damit vorhat

taz: Mr. De Niro, mit der Gründung der Firma „TriBeCa“ sind Sie nun zum Produzenten geworden. Was für einen Einfluß wird das auf Ihre Schauspielerarbeit haben?

Robert De Niro: Ich habe TriBeCa gegründet, um bestimmte Ideen weiterentwickeln zu können und größtmögliche Kontrolle über sämtliche Arbeitsphasen einer Filmproduktion zu haben. Ich empfand das Dasein des freien Schauspielers nicht immer als sehr befriedigend, deshalb dachte ich, eine eigene Produktionsfirma sei eine interessante Ausgangsbasis für eine etwas andere Arbeitsweise. Übrigens glaube ich nicht, daß ich in allen TriBeCa-Produktionen selbst mitspielen werde.

Mit dem offiziellen Status des Produzenten sind Aufgaben und Anforderungen verbunden, die ich zum Teil auch schon als Schauspieler übernommen habe. Wenn mir ein Projekt am Herzen lag, war es mir auch früher schon wichtig, Vorschläge zu machen und Anregungen zu geben. Ein Regisseur kann nicht alles sehen; viele Regisseure sind dankbar, eine andere Meinung zu einem Problem zu hören. Ich werde in diesem Sommer selbst zum ersten Mal Regie führen, und da wird es mir sicher ebenso ergehen. Auch als Schauspieler lag mir viel daran, daß ein Film so gut wie nur eben möglich wird. Das wurde oft auch mißverstanden: Manche meiner Schauspielerkollegen hatten den Eindruck, ich würde mich bei den Regisseuren hinter ihrem Rücken beschweren oder sie schlecht machen. Diese Mißverständnisse und negativen Reaktionen schließe ich hoffentlich durch den offiziellen Produzentenstatus aus.

In den letzten Jahren haben Sie Ihr Arbeitstempo enorm gesteigert: im Durchschnitt spielen Sie jährlich in drei Filmen mit. Wie werden sich Ihre zusätzlichen Aufgaben auf Ihre Arbeitsweise auswirken, die ja vor allem auf langen Recherchen und Beobachtungen beruht?

Es fällt mir zunehmend leichter, das alles in Einklang miteinander zu bringen. Beim Drehen gibt es Zeiträume, die man dringend für seine Arbeit braucht, es gibt aber ebenso viel überflüssige Zeit, die man totschlagen muß. Ich kann mit meiner Arbeitszeit ökonomischer umgehen, sobald ich weiß, was meine Figur ausmacht. Wenn ich meine Hausaufgaben gemacht, meine Beobachtungen und Gedanken gesammelt habe und sich der Charakter verdichtet hat. Wenn wir beispielsweise den ganzen Morgen eine Szene geprobt und auch schon die ersten Einstellungen gedreht haben, weiß ich, worauf es ankommt. Da muß ich nicht tatenlos von 13 bis 15.30Uhr herumsitzen und auf den Dreh warten. Sondern ich kann die Zeit nutzen, um mit dem Regisseur andere Probleme zu besprechen. Das kann auch für den kreativen Prozeß nützlich sein, denn es lenkt mich für eine gewisse Zeit von der Rolle ab: Ich löse mich für einen Augenblick von der Figur und bin nicht andauernd wie besessen in sie vertieft.

Was macht ein Projekt für TriBeCa interessant?

Das kann alles Mögliche sein: ein ansprechender Stoff, ein gutes Drehbuch, ein interessanter Regisseur oder Produzent, der uns das Projekt anbietet. Im Fall von Thunderheart (voraussichtlicher deutscher Titel: Herzenssturm) bot uns der Drehbuchautor John Fusco das Projekt an, und wir entwickelten es mit ihm zusammen weiter. Dann stieß Michael Apted als Regisseur dazu. Jedes Projekt entwickelt sich auf seine eigene Weise; für mich gibt es kein bestimmtes Credo, keine bestimmte Arbeitsphilosophie. Es können Filme mit niedrigen oder hohen Budgets sein. Wir streben also eine große Vielfalt an.

Aber es werden doch wahrscheinlich hauptsächlich Filme sein, die in New York spielen?

Theoretisch wäre mir das sehr lieb. Aber auch da gibt es ein Dogma, an das wir uns halten müssen: Wenn ein bestimmter Stoff es verlangt, würden wir auch hier in Europa drehen. Im Augenblick arbeiten wir an dem Pilotfilm einer Fernsehserie, die in Lower Manhattan spielen soll. Die Produktionen sollen ein wenig wie die eines Ensembletheaters sein: Geschichten mit wechselnden Charakteren, die ausschließlich in New York spielen. Wir tendieren also dazu, die Stadt nicht nur als Standort unserer Produktionsfirma zu begreifen, sondern auch deren Schauplätze und Studios zu nutzen.

Weshalb haben Sie „Mistress“ („Die Geliebten von Hollywood“) als erste TriBeCa-Produktion ausgewählt?

Weil das Projekt drehfertig war. Es ist übrigens nur in Europa die erste von unseren Produktionen, die in die Kinos kommt, in den USA ist es Thunderheart. Dagegen ist Mistress ein sehr altes Projekt. Schon vor einigen Jahren erzählte mir Barry (Primus, der Regisseur) von seinen Erlebnissen, als er versuchte, für einen unabhängigen Film Geld aufzutreiben. Dabei traf er lauter potentielle Geldgeber, die den Charakteren in Mistress ganz ähnlich waren: Sie wollten nur dann Geld in den Film stecken, wenn ihre Freundinnen die Hauptrolle spielen dürften. Ich fand diese Geschichte sehr witzig und schlug Barry vor, daraus ein Drehbuch zu machen, welches ich dann den Studios und Produzenten zeigen würde. Jahre vergingen, ohne daß irgendjemand wirkliches Interesse an dem Buch zeigte. Also vereinbarte ich mit Barry: „Wenn TriBeCa auf eigenen Beinen steht und du keinen anderen Interessenten hast, werden wir den Film zusammen machen.“

Der Film fügt sich sehr gut ein in das, was man Ihre „Hollywood-Trilogie“ nennen möchte: Wie ein roter Faden zieht sich das Motiv des Kompromisses durch „The Last Tycoon“, „Guilty By Suspicion“ („Schuldig bei Verdacht“) und „Mistress.“

Verstehen Sie mich nicht falsch, Mistress ist kein Anti-Hollywood- Film. Es geht hier nicht um die Größen im Hollywood-Establishment, die in den Chefetagen wichtige Entscheidungen fällen. Es geht um Randfiguren, die gern in einer solchen Machtposition wären. Der Grund, weshalb die großen Studios nicht an Mistress interessiert waren, liegt wahrscheinlich in der Hauptfigur Marvin: Er ist ein Verlierer, ein Träumer, er besitzt keinen Enthusiasmus, der andere mitreißen könnte, aber er versucht an dem, was ihm wichtig ist, festzuhalten. Er ist auch ein wenig naiv. Ich denke, ich selbst hatte viel Glück in meiner Karriere: Die Regisseure, die mich wollten, waren meist sehr hoch angesehen, und die Studios wagten es selten, sich in ihre Arbeit einzumischen. Deshalb ist jeder Film, den ich gemacht habe, ein Film, an den ich glaube.

Aber Sie haben recht: in Hollywood ist das Gegenteil viel häufiger der Fall. Die Studios wollen den Regisseuren vorschreiben, welche Schauspieler verpflichtet werden, welche Drehbuchpassagen verändert werden sollen etc. Viele Studios sind stolz darauf, Fließbandproduktionen abzuliefern, die alle ihren Stempel tragen. Gleich der erste Kompromiß kann für einen Regisseur schon fatale Folgen haben: Wenn man den Studios nicht von Anfang an signalisiert, daß man auch „Nein!“ sagen kann, wissen sie, daß sie fortan leichtes Spiel haben. Viele Regisseure haben jedoch Angst, gefeuert zu werden, und wissen nicht, wann sie „Nein!“ sagen sollen. Aber natürlich gibt es auch Kompromisse, die einem Film zuträglich sein können. Es geht nicht immer alles nach Plan, es läßt sich nicht immer alles so realisieren, wie es im Drehbuch steht.

Ich möchte zurückkommen auf die Arbeit des Produzenten. Ich habe den Eindruck, daß Sie sich auch als Schauspieler darum bemüht haben, ein sehr enges Verhältnis zu Produzenten aufzubauen: zu Art Linson („The Untouchables“), zu Arnon Milchan („Brazil“ und „Es war einmal in Amerika“) und vor allem zu Irwin Winkler.

Ich bemühe mich, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die ich schätze und respektiere. Art Linson ist ein hervorragender Produzent; er ist sehr kreativ. Oft gibt er die Anregung zu einem Projekt und entwickelt es dann sehr zielstrebig und beharrlich weiter. Milchan mischt sich nach meiner Erfahrung selten in den kreativen Prozeß ein, er respektiert die Regisseure und Schauspieler, die er verpflichtet.

Das gilt auch für Winkler. Als Produzent stand er immer hinter uns und vermittelte, wenn das Studio etwas an Raging Bull oder New York, New York ändern wollte. Nun hat er sich mit Guilty By Suspicion ja als hervorragender Regisseur erwiesen. Ich habe es oft erlebt, daß ein Regisseur eine bestimmte Idee nicht vorantreibt oder vertieft, weil er glaubt, die Zeit säße ihm zu sehr im Nacken. Aber er ist immer bereit, etwas noch einmal neu auszuprobieren und sich dafür Zeit zu lassen. Bei seinem neuen Film Night and the City, den ich für TriBeCa produziert habe, habe ich mich bemüht, mich ebenso zu verhalten, wie er es früher als Marty Scorseses und mein Produzent tat.

Werden Sie in Ihrem Regiedebüt — „A Bronx Tale“ — auch mitspielen?

Ja. Als Produzent habe ich es Barry (Primus) zwar untersagt, Regie zu führen und eine Hauptrolle zu spielen, aber mir selbst erlaube ich es! (lacht) Aber die Rolle ist nicht sehr groß, meine Figur taucht nur in einem Viertel oder Drittel des Films auf. Die Hauptrolle spielt der Autor des Buches, Chazz Palmintieri. Es geht um das Erwachsenwerden eines Jungen in der Bronx. Ich spiele den Vater, und es ist mir lieb, daß die Rolle klein ist und ich nicht den ganzen Film tragen muß. Für mich ist der Film vor allem ein Schritt auf das Ziel hin, als Filmemacher eine vollständigere Form des Ausdrucks zu finden. Mein endgültiges Ziel ist es, eine eigene Idee auszuarbeiten, das Drehbuch selbst zu schreiben und es dann zu inszenieren.