Präsidentennominierung in Südkorea löst Unruhen aus

Seoul (dpa) — Bei den in diesem Jahr bisher größten regierungsfeindlichen Demonstrationen in Südkorea wurden am Dienstag 63 Menschen verletzt. Das teilte die Polizei gestern in Seoul mit. Über 60.000 Studenten und Mitbürger waren in 22 Städten auf die Straße gegangen und hatten unter anderem den Rücktritt von Staatschef Roh Tae Woo, eine demokratische Regierung und die Auflösung des Geheimdienstes gefordert. In einigen Orten hielten die Proteste bis zum frühen Mittwoch morgen an.

Im ganzen Land hatte die Polizei 50.000 Beamte mobilisiert, um die verbotenen Kundgebungen unter Einsatz von Tränengas aufzulösen. 49 Demonstranten wurden dabei festgenommen. Direkter Anlaß der Proteste war die Nominierung von Kim Young Sam zum Präsidentschaftskandidaten der Regierungspartei.

Young Sam, ein früherer Oppositionspolitiker und heutige Nummer zwei in der Partei des Staatspräsidenten Roh Tae Woo, erhielt auf dem Nominierungsparteitag in Seoul 4.418 von 6.660 Delegiertenstimmen. Er war der einzige Bewerber, nachdem sein Herausforderer Lee Jon Chan der Partei einen unfairen Wettbewerb vorgeworfen und seine Kandidatur zurückgezogen hatte.

Studenten in der Hauptstadt organisierten nach Bekanntgabe des Ergebnisses spontane Kundgebungen, auf denen sie die Nominierung Kims als Fortsetzung des alten Regimes von General Roh und seinen Militärs bezeichneten. Später zogen riesige Menschenmengen durch die Straßen von Seoul und forderten in Sprechchören die Auflösung der Liberaldemokratischen Partei.

Kim Young Sam hatte bei der letzten Präsidentenwahl im Jahre 1987 noch gegen Roh Tae Woo kandidiert. Roh hatte damals jedoch von der Spaltung der Opposition profitiert, die auch noch Kim Dae Jung als Gegenkandidaten aufgestellt hatte. 1989 führte Kim Young Sam seine Partei in die Fusion mit den Liberaldemokraten. Kim Dae Jung blieb in der Opposition und will bei der Präsidentenwahl im Dezember wieder antreten.