Militär setzt Suchinda unter Druck

■ In Thailands Hauptstadt und den Provinzen kam es auch gestern wieder zu Demonstrationen für eine Absetzung des Premiers/ Gerüchte über Umsturzpläne durch rivalisierende Militärs verdichten sich

Bangkok/Berlin (afp/taz) — Wird das Militär General Suchinda Kraprayoon opfern, um die Krise in Thailand zu beenden? Truppenverstärkungen der thailändischen Armee rückten gestern auf die Hauptstadt Bangkok vor, hieß es aus Polizeikreisen. Nördlich von Bangkok sei es zu Kämpfen zwischen Soldaten, die Umsturzpläne „gemäßigter Militärs“ unterstützen, und regierungstreuen Truppen gekommen, sagten Diplomaten. Auch im Stadtzentrum kämpften unbestätigten Berichten zufolge rivalisierende Militärs gegeneinander. Dort hatten sich am Nachmittag wieder 20.000 regierungsfeindliche Demonstranten versammelt. Es waren Schüsse zu hören, doch blieb zunächst unklar, ob die Truppen in die Luft oder in die Menge schossen.

Das Royal Hotel, in dessen Nähe am Dienstag bei heftigen Protesten über hundert Demonstranten von Regierungstruppen erschossen worden waren, sei in Brand gesteckt worden. Über die Stadt wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international protestierte gegenüber der thailändischen Regierung wegen des Einsatzes von Schußwaffen gegen die Demonstranten.

Die Opposition fordert den Rücktritt von Ministerpräsident Suchinda Kraprayoon, der an einem Militärputsch im vergangenen Jahr beteiligt war. Wenige Stunden vor den Berichten über die Kämpfe zwischen verschiedenen Gruppen des Militärs hatten thailändische und diplomatische Quellen von Informationen über einen möglichen Umsturz durch gemäßigte Militärs gesprochen.

Ranghohe Militärführer, darunter der Chef der Streitkräfte, Luftwaffenmarschall Kaset Rojananil, seien an den Plänen zum Sturz Suchindas beteiligt, hieß es. Sowohl Suchinda als auch sein Schwager, Heereschef Issarapong Noonpackdee, waren seit Montag zunehmend isoliert, nachdem Soldaten offen auf Demonstranten geschossen hatten. „Suchindas Tage sind gezählt. Es gibt deutliche Beweise, daß gemäßigte Militärs ihn stürzen wollen“, hieß es von diplomatischer Seite. Andere Diplomaten sprachen zwar von einer Spaltung des Militärs. Es sei jedoch verfrüht, von einem Marsch umstürzlerischer Truppen auf die Stadt zu sprechen.

Dennoch wurden nördlich der Stadt Straßensperren errichtet. Angesichts der Pressezensur und der ungeklärten Lage wimmelt es in der Hauptstadt von Gerüchten. So hieß es unter anderem, König Bhumibol Adulyadej werde von Suchindas Truppen unter Hausarrest gehalten und die Soldaten aus dem Norden planten seine Befreiung. Der Druck auf Suchinda, dessen umgehender Rücktritt im Mittelpunkt der Forderungen der Demonstranten steht, verstärkte sich am Mittwoch enorm, als Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn, eine der beliebtesten Mitglieder der thailändischen Königsfamilie, zu einem Ende des Blutvergießens aufrief. „Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, würde ich das Volk an die Macht bitten, um das gewaltsame Töten zu beenden“, sagte sie in einem Appell während eines Frankreich-Besuchs, der im staatlichen Fernsehen Thailands ausgestrahlt wurde. Ein Regierungssprecher dementierte unterdessen im Rundfunk, daß der König gefangengehalten werde. Er sei in seinem Palast in Bangkok und werde von Soldaten bewacht. Zuvor hatte Ministerpräsident Suchinda im Fernsehen die Opfer der Unruhen in Bangkok auf 40 Tote und 600 Verletzte beziffert. Berichte von mehr als 100 Erschossenen seien unwahr und zielten darauf ab, den Haß gegen die Regierung und ihre Vertreter zu nähren, sagte der blaß und angespannt wirkende Regierungschef. Doch Krankenhäuser, Diplomaten und Oppositionelle bestätigten eine Opferbilanz von mindestens 100 Toten.

Unterdessen kursierten unbestätigte Berichte, daß ein Flugzeug für eine mögliche Flucht Suchindas auf dem internationalen Flughafen in Bangkok bereitstehe. Berichten aus thailändischen und diplomatischen Kreisen zufolge sollen Soldaten heimlich Tote verbrannt haben, um die Zahl der tatsächlich getöteten Demonstranten zu verschleiern.

Amnesty international forderte unterdessen eine umgehende Untersuchung der Tötung von Demonstranten durch thailändische Sicherheitskräfte. Diese Schüsse seien eine schwere Verletzung der Menschenrechte, betonte die Organisation in London. Sie forderte gleichzeitig die Freilassung des oppositionellen Führers Chamlong Srimuang, der am Montag festgenommen worden war. Es handele sich um einen politischen Gefangenen, der lediglich gewaltlos gegen die Regierung protestiert habe. Die Organisation brachte auch ihre Besorgnis über das Schicksal 1.300 weiterer Personen vor, die während der Proteste festgenommen worden seien.

Unterdessen hat das US-amerikanische Außenministerium die gemeinsamen Truppenübungen suspendiert, die im Norden des Landes stattfinden. li