Innenminister Böck verliert Immunität

Erfurt (dpa/ap/taz) — Seit gestern mittag ist der thüringische Innenminister Willibald Böck (CDU) nicht mehr immun gegen staatsanwaltliche Ermittlungen. Am Rande der laufenden Plenarsitzungen, die sich mit dem Haushalt Thüringens beschäftigten, trat der Justizausschuß des Landtags zu einer Sondersitzung zusammen und beschloß die Aufhebung der Abgeordneten-Immunität Böcks. Am Dienstag abend noch hatte die Erfurter Staatsanwaltschaft beim Präsidium des Landtags beantragt, die Immunität des umstrittenen CDU-Politikers aufzuheben, um „nach eingehender Abwägung“ von Pressemeldungen Ermittlungen gegen Böck aufnehmen zu können. Es bestehe, führte der Leitende Oberstaatsanwalt Kretschmer gestern aus, ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen.

Vor der Landtagssitzung hatte die Fraktion Bündnis 90/Grüne/Neues Forum mit den Stimmen der SPD- Fraktion in einem Antrag Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) aufgefordert, den Innenminister zu entlassen, „um dem Ansehen des Landes Thüringen keinen weiteren Schaden zuzufügen“. Die Widersprüche, in die sich der Innenminister begebe, würden ein „politisch unerträgliches Ausmaß“ annehmen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Gerd Schuchardt erläuterte dazu in einem Rundfunkinterview, seine Fraktion habe kein Verständnis für einen Minister im Kabinett Vogel, der bewußt die Öffentlichkeit täusche. Der Fall Böck werde nach und nach zum Problem für den Ministerpräsidenten.

Der Oppositionsantrag wurde mit der Stimmenmehrheit der Regierungskoalition aus CDU und FDP abgelehnt. Wie die Fraktion Bündnis 90/Grüne/Neues Forum dazu der taz mitteilte, sollen auch FDP-Abgeordnete für die Entlassung Böcks gestimmt haben.

Böck, der auch CDU-Landesvorsitzender ist, steht unter dem schweren Verdacht, Schmiergelder der hessischen Unternehmensgruppe Stutz entgegengenommen zu haben. Der Überbringer des Geldes, der evangelische Pfarrer Hans-Werner Kohlmann, hat eidesstattlich bezeugt, im Auftrag der Firma Stutz dem Innenminister insgesamt 45.000 Mark ausgehändigt zu haben. Böck leugnet, gewußt zu haben, daß sich das Unternehmen damit Vorteile bei der Auftragsvergabe von Autobahnraststätten versprochen hat. Mittlerweile gibt er aber zu, den Erhalt von 20.000 Mark quittiert zu haben; über die restlichen Scheine will er nichts wissen. Überdies hat sich herausgestellt, daß der Innenminister vergessen hat, diese 20.000 Mark zu versteuern.

Falls nun innerhalb einer Woche kein Abgeordneter des Landtags Einspruch gegen die Aufhebung der Immunität einlegt, kann die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufnehmen.