Bund weist Balkan-Flüchtlinge ab

■ Visumzwang für BürgerInnen aus Bosnien-Herzegowina wird trotz Massenflucht aus dem Kriegsgebiet nicht aufgehoben/ Heute findet in Wien Konferenz zu Ex-Jugoslawien statt

Berlin (taz) — Die Bundesregierung bemüht sich um Gerechtigkeit. Seit einer Woche wird sie von verschiedener Seite kritisiert, weil für Bürger der von Deutschland anerkannten Republik Bosnien-Herzegowina, wo der Krieg bereits über 600.000 Menschen in die Flucht getrieben hat, Visumpflicht besteht, während Bürger aus dem neugebildeten, nicht anerkannten Rest-Jugoslawien, dessen Regierung die Hauptschuld am Krieg trägt, ohne Sichtvermerk in die Bundesrepublik einreisen dürfen. Um die schreiende Ungerechtigkeit zu beseitigen, hat Innenminister Seiters in Absprache mit den Bundesländern vergangene Woche trotz der Visumfreiheit ein generelles Einreiseverbot für Bürger Rest-Jugoslawiens (Serbien, Montenegro) verfügt. Kriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina werden fortan also gleichermaßen wie serbische Deserteure und Kriegsdienstverweigerer an der Grenze abgewiesen. Am Wochenende waren es 350 Bosnier, die bei Salzburg vergeblich Einlaß nach Deutschland begehrten.

Die Frage, ob die Visumpflicht weiterhin als Mittel zur Flüchtlingsabwehr eingesetzt werden soll, wird auch die Länderinnenministerkonferenz, die heute und morgen in Bonn abgehalten wird, beschäftigen. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor verlangt ein vorübergehendes Bleiberecht für Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten und die Abschaffung der Visumpflicht für Bürger Bosnien-Herzegowinas. Um allfälligem Widerstand der Kommunen vorzubeugen, schlägt er zudem vor, daß die Sozialhilfekosten für Flüchtlinge von den Ländern übernommen werden. Mit dem Angebot eines befristeten Bleiberechts soll verhindert werden, daß Kriegsflüchtlinge Asylanträge stellen, obwohl sie nur vorübergehend hier Schutz suchen. „Der tut sich leicht, weil er weniger betroffen ist als Bayern“, kanzelte der bayerische Innenminister Edmund Stoiber das Begehren seines Kollegen ab. Aber wenn Nordrhein-Westfalen bereit sei, „weitgehende Kontingente“ aufzunehmen, sei auch er, Stoiber, für eine andere Flüchtlingspolitik.

Auch in Wien wird heute über die Frage der Kriegsflüchtlinge aus dem zerbrochenen Jugoslawien debattiert. Auf Initiative des österreichischen Außenministers treffen sich hohe Regierungsvertreter aus Österreich, Deutschland, Italien, Ungarn, Kroatien, Slowenien und der Schweiz sowie Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes, des UNO- Hochkommissariats für Flüchtlinge und der EG, um über eine Soforthilfe für Kroatien und Slowenien zu beraten. Kroatien beherbergt neben 325.000 kroatischen Flüchtlingen aus den von der Armee eroberten Teilen seiner Republik 285.000 Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina. Im kleinen Slowenien, das nicht einmal zwei Millionen Einwohner zählt, haben 50.000 Bosniaken Unterschlupf gefunden. Weitere 3.600 wurden in Österreich aufgenommen. Und etwa weitere 2.000 sitzen an der Grenze zu Deutschland, vor allem in Salzburg, fest, weil die Bundesregierung ihnen die Einreise verweigert. Vorgestern bat der Bonner Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), Walter Koisser, die Bundesregierung in einem dringenden Appell, angesichts des unbeschreiblichen Leids die Grenze für Kriegsflüchtlinge zu öffnen. Es gelte mehr denn je, den „Kerngedanken des Asylrechts zu bewahren, nämlich Schutz und Zuflucht jenen zu gewähren, die Opfer von Gewalt, Verfolgung und Unterdrückung geworden seien“. thos