Klopfen Sie an im Geschichtshaus!

■ In der Unteren Rathaushalle warten 19 schicke Zimmer

Aus der Aservatenkammer der PsychiatrieFoto: Jörg Oberheide

Klopfen Sie nicht einmal an: Die Untere Rathaushalle ist ohnehin nur für Sie geöffnet, und wenn Sie dann eintreten, stehen sie schon im ersten Zimmer.

Hier riecht es nach Geschichte. Im ersten Zimmer wohnen die Brauarbeiter, Metzger und Zigarrenarbeiter, hier sitzen sie an den Wänden und wollen über ihre Arbeit erzählen, hier atmet der Duft, der auch heute noch über der Stadt liegt, wenn Beck sein Malz kocht.

Und hier können Sie nicht herein! „Aufgang nur für Herrschaften“, heißt es deutlich, und wenn sie unbedingt wollen, gehen Sie doch durch den Seiteneingang, und dann stehen sie aber schon im Zimmer der Sinti, die nach dem zweiten Weltkrieg in Woltmershausen einen Platz neben einer Müllhalde zugewiesen bekamen.

In diesem Zimmern sind die Tapeten wichtig: Großformatige Fotos und kleine Texte erzählen,

scheinbat zusammenhanglos, Episoden. Vom Frauen-Variete und von der Swing-Jugend, der alte Volksempfänger, der da steht, hat nie auch nur einen Ton Jazz gejubelt, oder doch? Und werfen Sie einmal einen Blick auf die Hemelinger Marsch, ja, auch die liegt da, repräsentativ, und besteht darauf, ein Erholungsgebiet für das gebeutelte Hemelingen zu sein.

Hier kommt es nicht auf vollständige Einrichtungen an. Bleiben Sie doch im kargen Ambiente eines nachgestellten Ottilie-Hoffmann-Hauses hängen. Schauen Sie ruhig einmal, wie das aussah, als es naoch anti-alkoholische Schankstuben gab, und setzen Sie sich ruhig mal hin, vielleicht kommt ja sogar ein gegenwartsbezogener Ornagensaft vorbei!

Kein Haus mit 19 Zimmern hat kein Gruselkabinett! Gehen Sie ruhig herein in den OP, wo der Siemens Convulsator III auf Sie wartet. NS-Psychiatrie und ihre Methoden.

Die Ausstellung der Bremer Geschichtsgruppen lädt ein zum Umgang mit der Vergangenheit. Niemand ist hier, der sich pädagogisch aufdrängen will und den Zeigefinger hebt. Man wirft vielleicht ein bißchen unverbindliche einen Blick und dann bleiben Sie aber plötzlich kleben, und merken, wie eng es zwischen den 08/15 Bauten in Kattenturm wirklich ist. Und dann sehen Sie diesen nachgebauten Kran vom AG- Weser-Gelände, den Sie schon hundertmal gesehen haben, und der jetzt Geschichte ist. Ist das alles schon so lange her? Und was passiert jetzt da in Gröpelingen?

Treten Sie ein, Sie dürfen sehen, tasten, hören, riechen und: anfassen. mad

Jenseits von Roland und Schütting, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, Untere Rathaushalle, Katalog vom Donat-Verlag, 19,80 Mark