Bitterer Blick

■ Theatertreffen heute: »Im Dickicht der Städte« aus Hamburg

Das Thalia-Theater Hamburg zeigt in der Inszenierung von Ruth Berghaus Bert Brechts »Dickicht der Städte«. Bereits vor zwanzig Jahren gab es am »Berliner Ensemble« eine Aufführung dieses Brecht-Stückes von derselben Regisseurin zu sehen. Angetreten mit dem Ziel, das schon damals zum Museum erstarrte Ostberliner Brecht-Theater radikal zu reformieren, scheiterte sie an ideologischen Querelen im Ensemble und mit den damaligen Kulturfunktionären des SED-Regimes. Sie gab die Intendanz des Hauses am Schiffbauerdamm nach sechsjähriger Arbeit 1977 auf. Der ideologischen Hauptlinie der SED blieb sie trotzdem treu und durfte in den folgenden Jahren denn auch viel im Westen inszenieren.

Oft in den letzten Jahren traf Ruth Berghaus der Vorwurf, sie reduziere in ihren Arbeiten für west- und ostdeutsche Theater durch einen unterkühlten, ästhetisierenden Zugriff Geschichten, in denen es um Beziehungen zwischen Menschen gehen könnte, auf Versuchsanordnungen, in denen nur noch erstarrte Wesen agieren.

Auch in der aktuellen »Dickicht- Inszenierung« wird der Bühnenraum konsequent als Kunstraum behauptet, durch den sich die Schauspieler wie Automaten bewegen. Oft weit voneinander entfernt, werden Dialoge zu Rufarien, die wie laute Stockschläge auf die Zuschauer niederprasseln. Ihre Umgebung ist zerstörte Natur, ihr Schicksal Trostlosigkeit und Einsamkeit.

»Hier wirft eine Regisseurin aus der DDR einen bitteren endgültigen Blick auf verlorene Illusionen, und Brechts Text wird zum irritierenden Medium dessen, was ihr bleibt: der Möglichkeit zur Erkenntnis. Ruth Berghaus nimmt (...) dabei in Kauf, daß alle die, die sich für ihre Geschichte und die ihres Landes weniger interessieren, ausgeschlossen bleiben und kaum einen Zugang zum Stück mehr finden können.« (So schrieb Lore Kleinert anläßlich der Premiere in Hamburg in der taz.) burk

Heute und morgen um 19.30 Uhr im Schiller Theater