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■ Warum Marlene Dietrich nicht Ehrenbürgerin wurde

Berlin. Für Marlene Dietrich ist es zu spät. Tote werden keine Ehrenbürger. Und Joffi d'Incher ist verärgert. Der Kunststudent, Meisterschüler an der Hochschule der Künste, hatte im August 1990 in einem Schreiben an den damaligen Regierenden Bürgermeister Walter Momper angeregt, der Dietrich die Ehrenbürgerwürde zu verleihen. Momper schien dazu durchaus geneigt.

Der SPD-Politiker nimmt für sich in Anspruch, seit seinem Amtsantritt im Jahr 1989 eine Ehrung der Schauspielerin »sehr intensiv« betrieben zu haben. Mompers Senatskanzlei versprach auch Unterstützung, als der Kabarettist Holger Klotzbach die Diva im August 1990 zur Neueröffnung des »Quartier Latin« in der Potsdamer Straße nach Berlin eingeladen hatte. Der Billy-Wilder-Film A Foreign Affair, mit Dietrich in der Hauptrolle, sollte aufgeführt werden. Mompers Mitarbeiter wollten der Diva für ihren Aufenthalt das Senatsgästehaus im Grunewald anbieten.

Dietrich selbst sagte den Quartier-Betreibern mit Brief vom 12. September ab und verwies zur Begründung auf den heraufziehenden Golfkrieg: »Zu dieser Zeit hat die ganze Welt andere schwere Sorgen.« Zum Thema Ehrenbürgerschaft hörte d'Incher von der Senatskanzlei offiziell nichts mehr. »Eberhard Diepgen hat die Sache dann zu den Akten gelegt«, glaubt der Student. Auf ein Ablehnungsschreiben wartet er »heute noch«.

Daß die Emigrantin Marlene Dietrich dem CDU-geführten Senat nicht in den politischen Kram paßte, diese Vermutung wies Diepgen gestern vor dem Abgeordnetenhaus zurück. Spekulationen, der Senat habe die Hommage für die Diva aus politischen Rücksichten abgesagt, seien »abwegig«.

Und warum wurde die Dietrich nie Ehrenbürgerin? »Die Wünsche von Frau Dietrich, die wir zu respektieren hatten, und die Regeln, die mit der Ehrenbürgerwürde einhergehen, waren nicht auf einen Nenner zu bringen.« So würdevoll formuliert es Protokollchefin Anna-Margareta Peters. Marlene Dietrich hätte die Ehrung öffentlich entgegennehmen müssen, erinnert sich Momper. »Sie wollte sich aber nicht öffentlich zeigen.« Joffi d'Incher findet diese Auskunft unbefriedigend. »Man hätte eine Ausnahme machen müssen«, sagt er. »In Paris wäre das alles anders gelaufen.« hmt