Durchgeknallt

„HIV ist nicht die Ursache“ und „Aids — die erfundene Seuche“. Peter Duesbergs Botschaften sind schlicht: Aids sei ein Sammelsurium von Krankheiten, die es immer schon gab, und HIV könne Aids nicht verursachen, weil Retroviren sich so nicht verhalten. Um seine Theorie nicht zu gefährden, betreibt der Mikrobiologe eine Wissenschaft, bei der Störendes einfach unter den Teppich gekehrt wird. Da aber auch der US-amerikanische Mikrobiologe nicht leugnen kann, daß Menschen an der „erfundenen Seuche“ sterben, bedarf es einer Erklärung. Exzessiver Drogenkonsum, promiskuitiver schwuler Sex, Poppersschnüffeln und nicht zuletzt AZT müssen als Ursache herhalten. Das zielt auf die Drogengebraucher und schwulen Männer — die Verdammung des Andersartigen verbrämt sich nicht zum ersten Mal mit dem Mantel „wissenschaftlicher Erkenntnis“. Doch Duesberg hat ja gar nichts gegen Schwule: „Hetero- und Homosexualität [sind] seit 3 Millionen Jahren erprobt.“ Die wirklichen Feinde sind die Ärzte, die den Schwulen einreden, daß sie sterben müssen, und sie mit AZT vollpumpen. Da schreit einer „Haltet den Dieb“, der es besser wissen müßte.

Weil Afrika nicht ganz ins Bild paßt, wird Aids dort kurzerhand zur „2. Epidemie“ erklärt. So einfach geht das. Ebenso schlicht wie seine Botschaft sind häufig auch seine Anhänger: Die Berliner Kawi Schneider und Peter Schmidt geben beinahe täglich in Berlins „Offenem Kanal“ einen Einblick in die Welt der „Aids- Kritiker“ — eine Welt voll diffuser Verschwörungstheorien, in deren Kontext sich Aids wie eine Fortschreibung der „Protokolle der Weisen von Zion“ ausnimmt. Thematisch sind die beiden inzwischen nicht mehr so festgelegt, der „Aids-Entwarnung“ folgt jetzt ein neuer Abgesang: „Das mit dem Ozonloch“, sei „alles Quatsch“. Und einen Schuldigen haben sie auch parat: „Das Ozonloch ist eine Erfindung der FCKW-Ersatzstoff herstellenden Industrie.“

Was aus Amsterdam berichtet wurde, brachte nichts Neues. Lediglich das Bild der „Aids-Kritiker“ als eines sich gegenseitig zitierenden (und damit zur Wahrheit erklärenden) Zirkels hat sich wieder einmal bestätigt. Das von Duesberg zur „Kapitulation der Aids-Forschung“ verklärte Auftreten Luc Montagniers hat eher anekdotischen Wert. Nichts von dem, was Montagnier in Amsterdam sagte, birgt auch nur den Keim des Neuen oder gar des Skandals.

Doch Duesberg bleibt dabei: HIV hat nichts mit Aids zu tun. Deshalb ist Safer Sex auch Unfug. In Amsterdam zog er seine Konsequenz und forderte deshalb ein Ende der Safer-Sex-Kampagnen. Antworten bietet Duesberg, der sich im Besitz der alleinigen Wahrheit fühlt, nicht. Die Betroffenen läßt er im Regen stehen. Seine Ressentiments könnten dazu führen, daß an Aids Erkrankte auf eine Therapie verzichten und die Zahl der Neuinfektionen weiter ansteigt. Russisches Roulette à la Duesberg.

Klaus Lucas

Der Autor ist Redakteur bei 'magnus‘.