: Intensivfußball fürs Krankenhaus
Sat.1 präsentierte sein Konzept des totalen Balla-Balla-Fernsehens ■ Von Reinhard Lüke
Licht aus (whow!), Spot an (yeah!), Musik marsch (buba buba) — und schon stürmt eine unbändig fröhliche Schar sportlich gewandeter Menschen die Bühne, um kurz darauf in steifen Posen à la Living Dolls ihren noch jugendlichen Körpern Gewalt anzutun. So fangen heutzutage Pressekonferenzen an. Zumindest die von Sat.1 am Mittwoch in Köln. Aber schließlich ging es ja auch darum, des Senders teuerstes und somit liebstes Kind angemessen zu präsentieren: König Fußball, für teures Geld erstanden, soll nun auch ordentlich den privaten Kanal füllen. So konnte denn Geschäftsführer Werner E. Klatten vor informativen Neuigkeiten kaum an sich halten: „Wir sind froh, wir sind glücklich, wir sind stolz.“ Am 15.August startet die Bundesliga in die neue Saison, und von da an will Sat.1 dabei sein, wo immer die Lederkugel rollt. Ganz gleich, ob freitags oder unter der Woche, frei nach dem Motto „alle Spiele, alle Tore“, soll auch das müdeste Gekicke mit allen Mitteln der Tele-Kunst zum rauschenden Fest aufgepeppt werden. Die Hauptsendung natürlich am Samstag, von 18.00 bis 19.20Uhr, sonntags ein Fußball Frühschoppen und abends gleich nochmal 50 Minuten 2. Liga. Dazu täglich das „Neueste“ im Frühstücksfernsehen und ein zehnminütiges Special um 19Uhr [oh gott, meine beziehung stirbt! die k'in]. Und weil es angesichts dieser Programmfülle kompetenter Plauderkünstler bedarf, hat man sich flugs der Dienste eines Toni Schumacher als Co-Kommentator versichert. Wie das nun alles letzendlich aussehen wird, steht weitgehend noch in den Sternen. Doch wenn zumindest die Spielberichte ähnlich attraktiv daherkommen wie samstags bei „premiere“, kann's dem Fußballvolk daheim eigentlich nur recht sein. Nur ob der penetrant locker- flockige Jargon von Sport-Chef Beckmann auf Dauer erträglicher ist als Faßbenders („Gunnamd allerseits“) sauertöpfische Gediegenheitsprosa, bleibt abzuwarten.
Hinsichtlich der mangelhaften Flächendeckung des Senders (derzeit rund 75Prozent) kündigte Werner E. Klatten bahnbrechende Initiativen an. Um den „Schüssel-Muffeln“ Beine zu machen, startet Sat.1 ab sofort einen naßforsch „Aufklärungskampagne“ genannten Werbefeldzug mit führenden Schüssel-Herstellern. All denen, die sich dann noch immer keinen eigenen Teller zulegen wollen und trotzdem nicht auf Fußball verzichten möchten, bleibt nur noch der Weg ins Krankenhaus oder Altenheim. Mit etwas Fortune könnte dort dann Pierre Littbarski mit einer Schüssel unterm Arm aufkreuzen. Mit ihm als Zugnummer will der Sender unter dem Motto „Bundesliga für alle — Sat.1 hilft“ (warum nicht gleich ins Grundgesetz aufnehmen?) in den nächsten Monaten tausend derartiger Einrichtungen mit Satelliten-Anlagen zum Nulltarif beglücken. Da dürfte dann kein Auge trocken bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen