„Mehr Emotionalität“

■ Sat.1 plant seine Sportschau

Berlin (taz) — Noch zehn Wochen bis zum Start der „Zukunft der Fußballübertragung“ (Sat.1-Eigenwerbung), und niemand weiß, wie diese Zukunft aussieht. Neben saftigen Selbstvorlagen im Stil von „Fernsehen muß wie Fußball sein!“ steht allein die Sendezeit (siehe Medienseite) fest. Nicht einmal einen Namen hat die 80minütige Sendung am Sonnabend, die der Sportschau den Garaus machen soll.

Dafür wird bei Sat.1 mit großem Enthusiasmus geträumt. „Ich sehe die Chance, etwas wirklich Neues zu probieren“, sagt Michael Lion (48), der den warmen Platz des Sportchefs beim SFB aufgegeben hat, um bei Sat.1 zweiter Mann hinter Ex-„Premiere“-Sportchef Reinhold Beckmann (36) zu werden. Lion schwärmt vor allem von „den neuen Produktionsmitteln“, die „eine neue Situation“ schaffen.

Mit bis zu zehn Kameras pro Spiel, ob am Kran, auf Schienen, im Flutlichtmast oder Kabineneingang, will Lion „mehr Emotionalität“ inszenieren — Fußball als Kino der Gefühle: „Wir wollen sehen, was der Torschütze, der Torwart macht oder der Verteidiger, der gepatzt hat.“ Lahme Spiele kommen nur noch kurz und knapp vor. Wichtig werden auch Spielstatistiken. Sat.1 legt sich dafür sogar eine eigene Datenbank an. Inwiefern allerdings Feststellungen wie die, daß beim 1. FC Köln seit drei Jahren kein direkter Freistoß mehr zu einem Tor geführt hat, auf Dauer einen besonderen Unterhaltungswert haben, sei einmal dahingestellt. Welchen Zuschnitt die Spielberichte und sogenannten Hintergrundberichte haben, wie diese Mischung gelingt, das weiß niemand. Genausowenig, wie groß die Spielräume durch millionenteure Produktionskosten wirklich werden. Eine Mischung aus der Eleganz des Sportstudios, der Verläßlichkeit der Sportschau mit einem Schuß Zeitgeist soll es sein. Beckmann fordert von seinem Team „Distanz“ und „Begeisterung“. Fürs tägliche „Mini-Magazin“ darf auch Italiens Fußball- Klatschblatt 'Gazzetta dello Sport‘ Vorbild sein. Und Ironie soll auch ihren Platz bekommen. Irgendwie scheint man alles gleichzeitig haben zu wollen. Irgendwo im Programm kriegt man bestimmt auch die Co- Kommentatoren Toni Schumacher und Gerhard Schröder, Niedersachsens Ministerpräsident, unter. Vielleicht findet man auch Ersatz für die Routiniers Gerd Rubenbauer (BR), Volker Kottkamp (SWF) und Werner Hansch (WDR), die nun doch nicht zu Sat.1 wechseln. Den englischen und italienischen Fußball kriegt man sicherlich auch in den Griff. „Da haben wir Leute vor Ort.“ (Lion) Und irgendwann hilft der Glaube an den großen Chef, den zumindest Jörg Dahlmann, der Leiter des Studios Südwest, hat: „Reinhold Beckmann ist zwar ein Chaot, aber ein guter. Am Ende wird das gut werden.“ Christoph Biermann