Roger Coleman getötet

Washington (taz) — Der Sprecher des Gefängnisses von Greensville in Virginia verkündete es in geschäftsmäßigem Ton vor laufenden Kameras: „Mr. Coleman wurde um 23:38 Uhr (Ortszeit) für tot erklärt. Die Exekution wurde in der vorgeschriebenen Weise durchgeführt.“ Bis zuletzt hatte der 33jährige ehemalige Bergarbeiter Roger Coleman darauf gehofft, einen Hinrichtungsaufschub zu erhalten oder doch noch durch Virginias Gouverneur Douglas Wilder begnadigt zu werden.

Coleman war wegen Mordes und Vergewaltigung seiner Schwägerin 1981 zum Tode verurteilt worden, hatte jedoch bis zum Schluß seine Unschuld beteuert. Recherchen eines Privatdetektivs und eines neu angeheuerten Anwaltteams gaben Anlaß genug, an seiner Schuld zu zweifeln. Doch aus formalen Gründen lehnten die Gerichte es immer wieder ab, neues Beweismaterial zu berücksichtigen (siehe taz vom 19.5.).

Noch kurz vor seiner Exekution hatte Coleman versucht, wenn schon nicht den Gerichten, so doch wenigstens der Öffentlichkeit seine Unschuld zu beweisen, und war in mehreren Talkshows und Nachrichtensendungen aufgetreten. Bereits am Dienstag hatte Gouverneur Wilder eine Begnadigung abgelehnt — mit der Begründung, er sei von „Colemans Unschuld nicht überzeugt“. Ob er von dessen Schuld überzeugt ist, dazu äußerte sich Wilder nicht.

Zur Überraschung der Anwälte gestattete Wilder dem Verurteilten wenige Stunden vor dem Hinrichtungstermin, sich an einen Lügendetektor anschließen zu lassen. Der Test fiel negativ für ihn aus. Über die Verläßlichkeit solcher Geräte gehen die Meinungen ohnehin auseinander. Welche Aussagekraft aber ein Test bei einem Mann haben soll, der kurz vor seiner Exekution steht, vermochte niemand zu erklären.

Während Coleman zur Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl vorbereitet wurde, hofften seine Anwälte, daß der Supreme-Court-Richter doch noch einen Hinrichtungsaufschub gewähren würde. Wenige Minuten vor 23 Uhr (Ortszeit), dem festgesetzten Hinrichtungstermin, nachdem Scharen von Reportern vor dem Gefängnis ihr TV-Publikum über die Zutaten von Colemans letzter Mahlzeit informiert hatten, ließ die Gefängnisverwaltung verlauten, man werde mit der Exekution noch fünfzehn Minuten warten. Eine Minute vor 23 Uhr wurde die letzte Überlebenschance für Coleman zerstört: Der Oberste Gerichtshof hatte seinen Antrag auf Hinrichtungsaufschub abgelehnt. Er sei mit Würde in den Tod gegangen, erklärte ein Freund den Reportern vor dem Todestrakt.

Dies war das letzte, was das amerikanische Fernsehpublikum über Roger Keith Coleman erfuhr. Andrea Böhm