„Die Türken sind verbittert“

■ Karl H. Grabbe, Bremer Honorarkonsul, nennt Motive der Demonstranten

Ich bedaure es, daß Ihre Berichterstattung über die Demonstration „Für die Türkisch-Deutsche Freundschaft — Gegen Rauschgift und Terror“ sich nicht an den Tatsachen orientiert. Ich bin nicht Organisator dieser Demonstration, sondern habe diese auf Wunsch von 12 türkischen Gruppen, darunter politisch und religiös orientierte Gruppen und Sportvereine unterstützt, weil ich die Erbitterung der türkischen Mitbürger verstehe und ihre Anliegen teile. Die türkischen Mitbürger würden es nicht verstehen, wenn ich auf einer Demonstration für die Deutsch-Türkische Freundschaft nicht anwesend bin, da ich der einzige bin, der ihre Heimat in Bremen offiziell repräsentiert. Ich habe deshalb eine fest terminierte USA-Reise absagen müssen.

Um die Verbitterung der türkischen Mitbürger zu erklären, darf ich auf folgende Tatsachen hinweisen:

1. Türkische Betriebsräte sind in jüngster Zeit massiv aus DVU- Kreisen bedroht worden.

2. Die Filiale der Emlak Bank im Steintor ist bisher einmal mit Brandsätzen, zweimal hintereinander durch Zerstörung des Mobiliars und der Inneneinrichtung angegriffen worden. Die Mitarbeiter haben sich an mich gewandt und mir mitgeteilt, daß sie um ihr Leben fürchten.

3. Es war möglich, einen PKK- Kongreß in der Stadthalle im November 1991 abzuhalten. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Ausführung des Fraktionsführers der SPD im Bundestag, nach der die PKK eine Terrororganisation ist, die ihre Waffen über ihre Rauschgiftmafia in Deutschland finanziert.

4. Der im Rahmen des Studienganges Welthandelssprachen von der Hochschule Bremen im Rathaus durchgeführte Kurdenkongreß wurde von unseren türkischen Mitbürgern als Affront empfunden, weil sie annehmen, daß sich damit das offizielle Bremen gegen die mulitkulturelle Gesellschaft und die nationale Einheit der Türkei wendet.

5. Die Verzögerung der Einspeisung des türkischen Fernsehprogramms in das Bremer Kabelnetz, die von Seiten türkischer Mitbürger auf eine hinter den Kulissen stattfindende Einwirkung durch Kräfte zurückgeführt wird, die die Ziele der PKK teilen, ist bei den türkischen Mitbürgern auf Unverständnis gestoßen.

6. Die Nichtakzeptanz der von türkischen Betriebsratsmitgliedern von Daimler Benz, Klöckner und Vulkan vorgeschlagenen Mitglieder für den Rundfunkrat ist bei der türkischen Arbeiterschaft in Bremen nicht verstanden worden, insbesondere nachdem bekannt wurde, daß den von der Deputation für Kultur eingeladenen Kandidaten vor allem Fragen zur Kurdenfrage gestellt worden sind. Man nimmt daher an, daß auch hier Einfluß genommen worden ist.

7. Die Unterstützung des DAB durch den Bremer Senat, der sich beim Hearing der Medienanstalt als Vertreter der Kurden und nicht der Türken erklärt hat und über den z.B. fortlaufend Schriftstücke der Komkar auf den Postweg gegeben werden, stößt bei den türkischen Mitbürgern auf Unverständnis.

8. Die Unterstützung des Ausländerausschusses der Bremer Universität für die PKK z.B. durch Finanzierung von Flugblättern wird von den türkischen Mitbürgern nicht verstanden, die diese Organisation als eine Terrororganisation sehen, die bisher über 1.000 Zivilisten getötet hat.

9. Die Erklärung von Herrn Prof. Mönch beim Hearing der Grünen — einer Regierungspartei —, daß die PKK die Armee der Kurden sei und für die Freiheit Kurdistans kämpfe, wird als offizielle Aussage interpretiert. Die bei dem gleichen Hearing geäußerte Ansicht eines PKK-Mitgliedes, daß er weiter türkische Institutionen angreifen und zerstören wolle, hat die türkischen Mitbürger, die an diesem Hearing teilgenommen haben, erregt, um so mehr als diese von den Veranstaltern nicht zurückgewiesen wurde.

10. Die Kurden unter den türkischen Mitbürgern sind darüber erregt, daß sich Kräfte als Vertreter der Kurden in der Türkei ausgeben, die auf die Zerstörung der türkischen nationalen Einheit und der multikulturellen Gesellschaft der Türkei gerichtet sind. Die Wahlergebnisse der letzten Wahl in der Türkei beweisen ganz klar, daß die Bevölkerung in den süd- östlichen Gebieten der Türkei zum Großteil anders denkt, als es in Bremen von der PKK und ihren Angängern dargestellt wird.

11. Die Versuche der GEW, den muttersprachlichen Unterricht von der Türkei nach Deutschland entsandter Lehrer abzuqualifizieren und als ungeeignet hinzustellen, stoßen bei den Eltern der unterrichteten Kinder auf Unverständnis. (...)

Ich könnte diese Liste noch erheblich erweitern. Ich fühle mich als türkischer Konsul in Bremen auch als Vertreter der Interessen der türkischen Bevölkerung in Bremen, die hier Steuern zahlt und die in Frieden und Freundschaft mit uns Deutschen leben will.

Ich wehre mich entschieden dagegen, daß die Veranstalter und Teilnehmer der Demonstration als „Faschisten“ und „Graue Wölfe“ abqualifiziert werden. Ich glaube, ich habe im Laufe meines Lebens bewiesen, daß auch ich kein Faschist bin.