Mobilisierung gegen rot-grünes Kita-Gesetz

■ Gewerkschaften und Eltern kündigen Proteste an

Die rot-grüne Landesregierung in Hannover gerät wegen ihres geplanten Kindertagesstätten-Gesetzes unter Druck. Die Gewerkschaften ÖTV und GEW rufen zusammen mit Elternvertretern zu einer landesweiten Demonstration gegen die „Mogelpackung Kita-Gesetz“ auf. Der vorgelegte Entwurf sei enttäuschend und unzureichend und erfülle nicht die Wahlversprechen von SPD und Grünen, sagte der ÖTV-Bezirksvorsitzende, Frank Bsirske, gestern in Hannover.

Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) sei 1990 vor allem auch wegen der Versäumnisse von CDU und FDP bei den Kindertagesstätten an die Macht gekommen. Rot-Grün stehe nun unter Zugzwang, meinte Bsirske.

Im Vorfeld der ersten Lesung des Kita-Gesetzes Mitte Juni im Landtag in Hannover machen Eltern und Gewerkschaften landesweit mit Flugblättern und Info- Blättern gegen den Entwurf mobil. „Diesen Gesetzentwurf nehmen wir so nicht hin“, sagte Marianne Schöberle, Sprecherin der Elternvertreter in hannoverschen Kindertagesstätten. Von dem, was vor 1990 mit SPD und Grünen besprochen und von ihnen vor der Wahl auch versprochen worden sei, „ist so gut wie nichts mehr übrig“.

Der Gesetzentwurf sieht von 1998 an für jedes Kind ab dem dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz vor. Ohne Einschränkung zulässig sind auch Nachmittagsgruppen und Spielkreise. Nachmittagsgruppen als Ersatz anzubieten, sei „totaler Blödsinn“, sagte Schöberle. Auch Spielkreise oder gar Vorschulklassen müßten als vollwertiger Ersatz aus dem Gesetz gestrichen werden. Kritik hatte bei Vorlage des Entwurfs im März durch den Kultusminister bereits ausgelöst, daß die finanzielle Förderung des Landes — anders als angekündigt — auf maximal 25 Prozent der Personalausgaben begrenzt ist.

ÖTV-Bezirkschef Bsirske nannte drei wesentliche Kritikpunkte. Die finanzielle Förderung von Hortplätzen zur Betreuung von Schulkindern am Nachmittag entfalle. Dies werde dazu führen, daß viele Gemeinden die für berufstägige Eltern wichtigen Hortplätze in Kindertagesstättenplätze umwidmen, um den Rechtsanspruch zu befriedigen und zusätzlich Landesmittel einzustreichen. Doch schon jetzt fehlten tausende von Hortplätzen.

Bei den Öffnungszeiten gehe das Kita-Gesetz von einer Halbtagesbetreuung aus. Der steigende Bedarf an Zweidrittelplätzen und Ganztagsplätzen, insbesondere bei Berufstägigen, werde nicht berücksichtigt. Völlig unzureichend sei auch die personelle Ausstattung und die Vorgaben für die Gruppengrößen. Bei einer Gruppe von bis zu 25 Kindern sei eine dritte Fachkraft als Pflichtvorgabe unumgänglich. Angesichts der knappen Landesfinanzen müsse die rot-grüne Regierung möglicherweise andere Prioritäten setzen. Bisher seien für das Kita-Gesetz nur 36 Millionen Mark zusätzlich eingeplant.

Elternvertreterin Schöberle berichtete, zu der offiziellen Anhörung des Kultusministeriums zum Gesetzentwurf sei niemand von Seiten der Eltern geladen worden. Unter Hinweis auf die offiziellen Einladungen habe man sie wieder vor die Tür gesetzt und einen gesonderten Termin angeboten. Mit einem Vergleich brachte Hartmut Fuchs, Elternsprecher der von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betriebenen Kindergärten, die Enttäuschung über Rot-Grün auf den Punkt: In der Wahlwerbung sei eine leckere Poularde versprochen. Angeboten würde aber nur eine alte Legehenne. Andreas Möser (dpa)