: „Der Aspekt der Akzeptanz in der Bevölkerung“
■ ParlamentarierInnen versuchten fünf Stunden lang, SchülerInnen in der Bürgerschaft Rede und Antwort zu stehen
„Das war ja wohl echt Panne“, schimpft ein 16jähriger in der Lobby der Bürgerschaft und meint die Bürgerschaftsvizepräsidentin Christine Bernbacher. Die hatte gerade im Plenarsaal verhindert, daß die SchülerInnen mit provokanten und klugen Fragen die DVU-Fraktionsvorsitzende Marion Blohm weiter in die Enge treiben konnten.
„3. Schülerforum in der Bremischen Bürgerschaft“ hieß die fünfstündige Veranstaltung und 13 Klassen der Jahrgangsstufen 10 bis 12, aus Bremen, Rostock und Bremerhaven waren gekommen, um die Vertreter der Bürgerschaftsfraktionen zu löchern. Die Fragen, die sie in der Schule erarbeitet hatten, waren den Politikern zuvor schriftlich zugestellt worden. Und die hatten die Gelegenheit genutzt, sich gründlich vorzubereiten. Das war wohl auch nötig, denn von Kaffeequotierung über Futtermittelimporte, vom Lome-Abkommen bis zum Pestizideinsatz wurde den Bremer Politikern allerlei Spezialwissen abgefragt. Und diejenigen, die sich nun nicht ausführ
hier bitte das
Foto aus dem
Parlamentssaal
AUF 64%!!!!
lich mit den Fragen auseinandergesetzt hatten, stöhnten bisweilen genervt auf der Zuschauerbank.
Munter wurde es aber, als die DVU gefragt wurde, ob sie sich nicht an den Überfällen auf AusländerInnen mitschuldig gemacht habe. „Skinheads sind verirrte Irre. Ich hab' was dagegen, daß die uns zugerechnet werden“, antwortete DVU- Frau Blohm. „Aber Sie sind doch für das Szenario mitverantwortlich, wenn Sie gegen Ausländer hetzen“, rief ein Schüler. „Deutschland gehört den Deutschen, und ich bin stolz, eine Deutsche zu sein“, meinte Blohm. „Ein Mensch ist ein Mensch, auch ein Ausländer“, konterte eine Schülerin. Darauf Blohm: „Es kommt auf die Proportionierung an.“ Da sah Bernbacher die Zeit gekommen, der DVU-Abgeordneten aus der Patsche zu helfen und zur nächsten Frage überzugehen.
Und so war dann im Laufe des Tages zu erfahren, daß auch der Junge-Union-Aktivist Jens Eckhoff (er saß auf Bürgermeister Wedemeiers Stuhl) „keine befriedigende Antwort zur Drogenproblematik“ weiß, daß Ex-Senator Peter Sakuth persönlich gegen die „Tonnenjäger“ in den norddeutschen Häfen ist, daß der Grüne Walter Ruffler für uneingeschränktes Asylrecht ist, und daß der FDP-Abgeordnete Fred Jungclaus so schöne Sätze sagen kann wie: „Der Aspekt der Akzeptanz in der Bevölkerung“ und „Beschleunigungsgesetz zur Abwicklung der Verfahren hinsichtlich des Asylantrages.“
Zufrieden waren die SchülerInnen am Ende der Veranstaltung denn auch nicht. Die Einrichtung eines Schülerforums in der Bürgerschaft fanden zwar alle eigentlich prima, die Politiker aber weniger: „Die Abgeordneten gingen selten auf ihre Vorredner ein und blieben bei ihren fertigen Konzepten“, bemängelte eine Schülerin des Kippenberg-Gymnasiums. „Nur Sprüche“, schimpfte einer von der Berufsschule Elektrotechnik und ein Mädchen vom Schulzentrum Ronzelenstraße meinte: „Die DVU hätte viel öfter drankommen müssen.“ Aber ein konkretes Ergebnis glaubten die SchülerInnen denn doch erreicht zu haben. Hatte doch Peter Sakuth gesagt, daß er sich dafür einsetzen werde, daß in der Bürgerschaft Kaffee aus alternativem Anbau ausgeschenkt wird.
Der Satz des Tages blieb aber wieder einmal Bürgerschaftpräsident Dr. Dieter Klink vorbehalten. Er beendete das Forum mit den Worten: „Liebe Schüler, Sie haben es uns sehr einfach gemacht. Wenn Sie so weiter machen, können Sie alle gute Parlamentarier werden.“ hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen