Bremen übereifrig beim Verfassungsschutz

■ Bremen liefert ab 1992 keine Daten mehr für Extremisten-Datei, Niedersachsen schon seit 1988

Was ist der Stand der Debatte um die Extremisten-Datei beim Bundesamt für Verfassungsschutz, über die die taz Anfang März berichtete? „Wir sagen dazu prinzipiell nichts“, sagt Dr. Lange, zuständig für Presseauskünfte beim Bundesamt des VS.

Der Extremistenerlaß, mit dem im März 1977 auch in Bremen die Regelüberprüfung eingeführt wurde, ist zwar längst abgeschafft, das Landesamt für Verfassungsschutz liefert aber fleißig die Daten von „Extremisten im öffentlichen Dienst“ an den Bundescomputer in Köln. Die Reaktion auf die Veröffentlichung dieser Tatsache (vgl. taz 12.3.) zeigt, wie die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes gegenüber der Öffentlichkeit abgeschottet wird.

Der Innensenator und seine Behörde wußten nichts von der Extremistendatei. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung in der taz gab er eine Anweisung, keine Daten mehr nach Köln zu liefern. Das Kölner Bundesamt wurde sogar aufgefordert, die für 1991 noch gelieferten Daten über fünf Bremer „Extremisten“ zu löschen. Auf der Amtsleiterkonferenz im März wurde der Bremer Vorgang zum Thema und es herrschte Einigkeit darüber, daß die ganze Datei überflüssig sei. Auf die Frage, ob die Namen im Kölner Computer wirklich gelöscht werden — 1984 hatte Bremen immerhin noch 151 „Extremisten“ abgeliefert — ist wegen der Auskunftssperre des VS keine Antwort zu erhalten.

Aufgefallen war die Datensammlung dem kommissarischen Leiter des Bremer Landesamtes für Datenschutz, Sven Holst. Der

erntete allerdings kein Lob, sondern mußte sich heftige Vorwürfe anhören. Der Vorsitzende des Datenschutzausschusses, Fred Jungclaus (FDP), empörte sich nicht über den Vorgang, sondern verurteilte „auf das Schärfste“ die Veröffentlichung des Falles — und bat gleichzeitig höflich um „Sachaufklärung“.

Auch die Bremer „Parlamentarische Kontrollkommission des Verfassungsschutzes“ (PKK) erfuhr von der Extremistendatei aus der Zeitung. Warum in dem entsprechenden Laufzettel für Extremisten die Rubrik „unbeweisbar“ steht und wie sie genutzt wurde, hat in Bremen bisher niemand aufklären können, die PKK wollte es auch nicht wissen.

In der Datensammlung selbst

hier bitte die

gefaxte Karikatur

scheint Bremen einen ganz besonderen Eifer an den Tag gelegt zu haben. 14 Jahre lang, so hat der Datenschützer im vergangenen Dezember festgestellt, hatte die Senatskommission für das Personalwesen auf telefonische Anfrage hin dem Verfassungsschutz mitgeteilt, welcher der als „Extremist“ gespeicherten Mitarbeiter inzwischen auf welcher Stelle sitzt. Als Staatsrat Dopatka davon Ende April 1992 erfuhr, untersagte er sofort derartige Telefonauskünfte. „Da kann ja jeder anrufen“, meinte er, zudem sei das Verfahren im Nachhinein nicht nachvollziehbar.

Diese „Begleitung“ einmal festgestellter Extremisten bei ihrer Karriere war offenbar andernorts nicht unbedingt üblich. Beim

Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz ist nicht einmal bekannt, „daß das irgend jemand so praktiziert hat“. Die Hamburger jedenfalls nicht.

Das Bremer Landesamt für Verfassungsschutz wehrte sich gegen alle Vorwürfe mit der Behauptung, es sei durch das Bundesverfassungsschutzgesetz zu der Übermittlung der Daten verpflichtet. Während in Bremen diese rechtliche Verpflichtung offenbar genau sieben Tage nach der Veröffentlichung des Falles am 19. März endete, erklärte der Leiter des Hamburger Landesamtes, Urban, seine Behörde habe schon im vergangenen Jahr keine Daten für die Kölner Extremistendatei mehr geliefert.

Verfassungsschutz-Chef Knoche aus Hannover erklärte gegenüber der taz, „schon seit 1988“ liefere Niedersachsen keine Daten mehr. Noch zu Zeiten der CDU-Landesregierung ist offenbar die aus der Zeit des Extremistenerlasses herrührende Praxis eingestellt worden. Die Datei beruhe auf einem Erlaß des Bonner Innenministeriums. Also keine rechtliche Verpflichtung? „Es gibt keine spezielle rechtliche Vorschrift dafür“, meint Knoche, die Zulieferung der Daten sei „Ermessenssache der Länder“. K.W.