: Was stinkt denn hier so fürchterlich?
■ Franz Schönhuber sprach im Kongreßzentrum am Alexanderplatz/ Fast nur Männer lauschten umhüllt von üblen Gerüchen der simplen Rhetorik des Möchtegerndemagogen/ Neun Verhaftete und zwei Verletzte bei Gegendemonstration
Mitte. Der Alexanderplatz gleicht einem Heerlager. Mehr als 2.000 Polizisten sichern eine Bannmeile um das Kongreßzentrum gegen halb so viele Demonstranten, von denen neun verhaftet wurden. Viermal wird der Presseausweis kontrolliert, ehe der Vorplatz erreicht ist. Die Polizei wirkt nervös, wo Schönhuber auftaucht, ist meistens Randale angesagt. Ein Fahrradfahrer wird mit einem Schilderwall aufgehalten. Er holt sich eine Beule und beteuert, sein Kind aus dem nahem Wohnblock abholen zu wollen. Der Personalausweise genügt nicht, um hier durchzukommen, eine Eintrittskarte für die Veranstaltung muß es sein. Im Foyer die gleiche Prozedur, diesmal mit Rep-Ordnern. Schick und sauber sehen die Burschen aus, Jeans, Hemd, Sonnenstudiobräune, gepflegter Kurzhaarschnitt. Zu trinken gibts nur Cola-Light, Apfelsaft und Wasser. Ein paar Stunden ohne Alk wird den Rep's wohl ganz wohl tun, wenn man die Rückseite der Hauspostille 'Der Republikaner‘ anschaut. Von vierzehn Artikeln, die dort im Rep-Shop feilgeboten werden, sind sechs Bierhumpen und einer ein Flaschenöffner. Entsprechend pummelig sind die meisten Männer, die nach und nach eintrudeln. Frauen sind kaum zu sehen. Die Rep's sind fast eine reine Männergesellschaft. Im großen Saal spielt eine Kapelle mit Pickelhauben auf den Köpfen Schwarzbraun ist die Haselnuß und Die Männer sind alle Verbrecher. Eine Frau singt kräftig mit. Sie wird wohl wissen, warum. Plötzlich stinkt es nach Erbrochenem, Hundekacke, kaltem Schweiß. Ordner machen sich über die Abfallkörbe her, checken das Belüftungssystem. Die Leute schnüffeln angewidert an ihren Nachbarn. Dann ist der Befund auf dem Tisch: Buttersäure. Der Oberordner in einem schicken Anzug murmelt: »Es sind Störer da.« Das sind sie wohl, denn dieser üble Geruch wird sich im Laufe des Abends noch zu einem dichten Ätznebel steigern. Vor dem Kongreßzentrum ist es weiterhin ruhig. Etwa 300 DemonstrantInnen liegen/sitzen/hocken/stehen in der Sonne, trinken Bier und atmen frische Luft. Mittlerweile ist der Vortragssaal zu drei Vierteln gefüllt. Dr.Müller, der Vorsitzende der Berliner Rep's, versucht, das Publikum anzuheizen. Die Beauftragte für Ausdländerfragen, Barbara John, sei eine Schreibtischtäterin, die sich mehr für Ausländer als für Deutsche interessiere. Der Senatssprecher auch, da er vor einer »Braunen Gefahr« warne, die es nicht gebe. Applaus. Der größte Schreibtischtäter sei allerdings Walter Momper, »ein eiskalter Karrierist, der hätte auch woanders landen können im 3. Reich«. Großer Applaus. Ob Müller damit das KZ, eine Gaskammer oder einen Posten bei Goebbels meint, läßt er offen.
Dann kommt Schönhuber, und der hat ein Problem. Die etablierten Parteien haben die Hauptforderung der Rep's, die »Eindämmung der Asylantenflut«, in ihren Programmen aufgenommen. Was bleibt, ist ein Potpourri archaischer Forderungen, welche an die Ellbogen statt des Hirns appellieren. Die Entwicklungshilfe soll gekürzt werden, um Gelder für Sozialleistungen in Deutschland freizubekommen,lebenslänglich Verurteilte sollen auch lebenslänglich im Knast sitzen, und vor Homosexuellen muß gewarnt werden: »Muß es in Berlin einen Kanal geben, in dem man sieht, wie man Homosexueller wird?« Sonst hat der Herr der Blauen nicht viel zu bieten. Er weiß, daß die Rep's in den Kommunal- und Landesverbänden nichts als Unsinn fabrizieren, die ParlamentarierInnen sich gegenseitig austricksen und alles in allem eine miese Figur abgeben. Deshalb verzichtet er auch darauf, deren Arbeit anzusprechen. Um trotzdem in den Medien präsent zu bleiben, greift Schönhuber zu einem alten Trick: Seine ganze Rede ist durchzogen von Angriffen auf die bösen Zeitungen und die bösen TV-Magazine, die seine Arbeit in den Schmutz ziehen. Allen voran Kennzeichen D, das für Schönhuber die Forsetzung des Schwarzen Kanal ist. Armer Eddi. Nur zwei Zeitungen nimmt er ausdrücklich in Schutz: Das 'Neue Deutschland‘ und — die taz. Armer Hendrik M. Broder (siehe Interview vom 19.Mai). Schönhubers Rhetorik ist simpel; nach dem Radio-Eriwan-Prinzip hat er im Grunde nichts gegen Asylanten in Deutschland oder in Berlin, wenn Herr Diepgen zwei in seiner Villa aufnimmt und Herr Momper gleich drei. Der Rest solle nach Wilmersdorf und in den Grunewald »zu den Bonzen«. Lautes gejohle bei Schulzens aus Neukölln. Er habe nichts gegen Entwicklungshilfe, wenn sie nicht von »den Häuptlingsclans im Busch verhurt und versoffen« würden. Er habe nichts gegen den Bau von Moscheen auf deutschem Boden, wenn in den heiligen Städten des Islam Kirchen gebaut werden dürften. Aber: »Über den ersten Spatenstich kommen sie nicht hinaus, der zweite ist in Ihrem Schädel.«
Schönhuber ist sichtlich bemüht, Franz Josef Strauß nachzueifern, den er gerne als konservativen Meinungsführer beerben möchte. Doch diese Schuhe sind ihm immer noch neunzehn Nummern zu groß. Auf den »tobenden linken Pöbel« kann Schönhuber nicht schimpfen, denn die Demo vor dem Kongreßzentrum ist ein friedliches Gelage geblieben.
Ein einsamer Punk begehrt Eintritt. »Sie da mit dem Anzug, kann ich Sie sprechen?« fragt er und versucht ein Gespräch mit einem der Rep- Ordner. »Ich habe genug Probleme«, sagt er und guckt noch grimmiger. Wer würde ihm das nicht abnehmen? Werner
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