Pilzzucht im Bunker

■ Angeblicher Atombunker sollte U-Bahnhof werden

»Das war reine Profilierungssucht«, bezichtigte Pressesprecher Wolfgang Göbel von der BVG die unbekannten Erfinder einer am Donnerstag verbreiteten Falschmeldung. Derzufolge war zwischen Alexanderplatz und Jannowitzbrücke unter der U-Bahnstrecke U8 ein Atombunker entdeckt worden, der angeblich SED-Funktionären aus dem nahe gelegenen Zentralkommitee das Überleben sichern sollte. Als kurz nach der Wende die Bilder der Wandlitz- Villen Wellen der Empörung um den Erdball schickten und die Raffgier und Doppelmoral kommunistischer Kader in aller Munde waren, wußte man doch insgeheim, daß Politiker westlicher Breiten in solchen Häusern nicht mal ihr Wochenende verbracht hätten. Aber auch realsozialistische Bescheidenheit hat ihre Grenzen: 128 unterirdische Betonzellen von zwei Quadratmeter Fläche mit rostigen Stahltüren zum Gang erstrecken sich über eine Länge von 250 Metern, im Flur finden sich Waschräume und vergitterte Ausgänge. Das sieht eher nach einem Gefängnis denn dem Wohnsitz der Elite während des atomaren Winters aus. Die Anlage war in den 20er Jahren ursprünglich als U-Bahnhof konzipiert worden, die Strecke verlief aber statt dessen über den Bahnhof »Jannowitzbrücke«. Bereits 1930 wurden die unterirdischen Gänge in einen Luftschutzbunker umgebaut, dabei dürften auch die heute sichtbaren Zwischenwände gezogen worden sein. Nach Worten des BVG-Pressesprechers nutzte man die Räume nach dem Krieg zur Champignonzucht, ab den 60igern dienten sie einem Stadtarchiv. Die sich publikumswirksam verkaufenden Entdecker des »Bunkers« waren im übrigen nicht die ersten, die den Abstieg in die Unterwelt wagten: auf den Museumswagen der BVG, abgestellt auf dem Rangiergleis hinter der Anlage, zeugen bunte Graffitis von deren Vorgängern. han