Wahlen im Kosovo trotz Verbot

■ Das neue Untergrundparlament wird die „Republik Kosovo“ ausrufen/ Serbien massiert Truppen

Berlin(taz) — Die jugoslawische Tragödie kehrt an ihren Ausgangspunkt zurück. An diesem Sonntag werden die Albaner des Kosovo unter den Bedingungen eines faktischen Ausnahmezustands ihr neues Parlament wählen, unbeeindruckt von einem riesigen serbischen Truppenaufgebot und den Drohungen seitens der restjugoslawischen Regierung. Drei Jahre nach der gewaltsamen „Gleichschaltung“ der autonomen Republik ist das gesamte öffentliche Leben, die Wirtschaft, die Schulen, die Krankenhäuser und die Universität von Pristina, unter strikter serbischer Kontrolle. Alle Minderheitenrechte sind aufgehoben, 60.000 albanische Angestellte und Arbeiter aus politischen Gründen entlassen. Die Albaner, mehr als 90 Prozent der Bevölkerung des Kosovo, haben auf die allgegenwärtige Unterdrückung mit dem Aufbau „paralleler“ Institutionen geantwortet, einem Untergrundstaat, der von Schulen und Verlagen bis zu Parlament und Regierung reicht. Bislang ist es der größten Massenorganisation des Kosovo, der demokratischen Liga, gelungen, die Albaner auf einen Kurs strikter Gewaltlosigkeit festzulegen. Aber es scheint sehr ungewiß, ob dieser Kurs nach dem 24. Mai, dem Datum der Wahlen, noch durchgehalten werden kann.

Nach dem Zerfall Jugoslawiens bliebe den Albanern nur eine rechtlose Existenz als Bestandteil Serbiens. Das neu gewählte Untergrund-Parlament wird daher die souveräne „Republik Kosovo“ proklamieren, die sich in nicht allzu ferner Zukunft mit dem nunmehr demokratisch regierten Mutterland Albanien zusammenschließen wird. Diese Perspektive aber ist für das Serbien Milosevics unannehmbar — gilt doch der Kosovo als das Herz des mittelalterlichen serbischen Königreichs und damit als Kernpunkt serbischer nationaler Identität.

Schon hat Serbien die ursprünglich in Mazedonien stationierten Truppen der Bundesarmee im Kosovo zusammengezogen. Albaniens Präsident Sali Berisha bat den UNO- Generalsekretär, eine Beobachtermission von Blauhelmen zu entsenden. Auch er befürchtet den Ausbruch offener Kämpfe, denn Kriegsgerät ist leicht erwerbbar — auch für die Kosovo-Albaner.

Kinderkonvoi ist frei — aber neue Kämpfe

Belgrad (afp) — Ein Deal zwischen der serbischen Armeeführung in Bosnien und muslimisch kroatischen Verbänden hat dazu geführt, daß der von serbischen Truppen sisitierte Konvoi meherer tausend flüchtiger Kinder und Frauen vor Sarajewo freigekommen ist. Der Konvoi bewegt sich jetzt, geleitet von UNO- Truppen, in Richtung der dalmatinischen Hafenstadt Split. Im Gegenzug dürfen Lebensmittel für die belagerte Kaserne der Bundesarmeee „Viktor Bubanj“ in Sarajewo passieren. Zadar an der Adria liegt wieder unter schwerem serbischen Artilleriebeschuß, die Elektrizitätsversorgung ist zusammengrebrochen.

Der amtierende Vorsitzende des Weltsicherheitsrates, Peter Hohenfellner, hat die serbische Seite davor gewarnt, die Stationierung von UNO-Truppen in den vorgesehenen Zonen der Baranija und der Kraijna zu behindern. Die örtlichen serbischen Kommandanten fordern eine Ausdehnung des vereinbarten Kontrollgebiets, „um serbisch bewohnte Dörfer zu schützen“. Nach einem Angriff kroatischer Verbände auf Bijelo Brdo südlich der Drau hat die Bundesarmee ihren Rückzug aus der Baranija unterbrochen C.S.