Ein kollektiver intergalaktischer Kollaps

Zum Saisonabschluß schaffte die Frankfurt Galaxy mit 19:16 doch noch einen Heimsieg gegen die London Monarchs, doch die Zukunft der World League ist mangels Zuschauerresonanz gefährdet.  ■ Aus Frankfurt Andreas Lampert

Jack „Coach“ Elway schlurfte wie immer sichtlich mitgenommen in den Presseraum des Frankfurter Waldstadions, doch dieses Mal war in seinem Gesicht Erleichterung abzulesen. „Freunde“, begann er sein kurzes Statement, „ich habe jede Menge Spiele mitgemacht, in einigen Finals gestanden, auch schon Meisterschaften gefeiert. Doch dieser Sieg war der größte in meiner Laufbahn. Das waren die besten Zuschauer, die ich je erlebt habe.“ Sprach's und verschwand in den Katakomben, um sich später mit seinen Spielern der johlenden Meute zu stellen, die vor dem Stadion unentwegt die magischen Worte in die laue Sommernacht hinausbrüllte: „Galaxy, Galaxy, Galaxy.“

Das Unfaßbare war geschehen. Das Frankfurter World-League- Team konnte nach langer, zäher Durststrecke erstmals wieder am Siegeskelch süffeln. In einem dramatischen Spiel bezwang die Frankfurt Galaxy die London Monarchs mit 19:16. Der im Vorfeld der Partie hochstilisierte „Kampf um den Holzlöffel“ — für beide Teams ging es nur noch darum, eine völlig vermasselte Saison versöhnlich zum Abschluß zu bringen — war der erste Heimsieg der Galaxy nach sechs verlorenen Spielen im eigenen Haus. Das ohnehin schon zu krankhafter Hysterie neigende Frankfurter Publikum stand danach kurz vor dem Kollaps. 43.259 feierten ihre Helden mit „standing ovations“ als wäre eben der World Bowl gewonnen worden. Wie ein schwach gewordener Liebhaber hatten sie alle Eskapaden dem Objekt der Begierde verziehen. Always look on the bright side of life.

Dabei verlief diese zweite Saison in der World League insgesamt doch eher enttäuschend. Drei Siegen standen sieben Niederlagen gegenüber. Manche waren knapp und herzzerreißend, andere wiederum deftig und niederschmetternd. Die Verantwortlichen haderten mit den Schiedsrichtern, Verletzungspech kam hinzu. Als sich Quarterback Mike Perez im vierten Spiel die Schulter verrenkte und für die restlichen Spiele ausfiel, verglühten die Angriffshoffnungen der Galaxy in Lichtgeschwindigkeit.

Der letztjährige Laufspielkönig Tony Baker hechelte über weite Strecken seiner Form hinterher und verlor mehr Bälle als er Punkte machte. Auch die in der vergangenen Saison noch so gelobte Abwehr brach unter dem ständigen Druck der gegnerischen Angriffsformation völlig zusammen. Trauriger Höhepunkt war die saure 51:7-Niederlage in Sacramento, in der der Defense- Koordinator zur zweiten Halbzeit die Nerven verlor, seinen Kopfhörer in die Ecke feuerte und sich weigerte seinen Jungs noch irgendwelche Anweisungen zu geben. „Coach“ Elway wollte sich danach am liebsten in einem Schrank verstecken und von der Welt nichts mehr sehen.

Doch die Fans störte der sportliche Absturz reichlich wenig. 36.000 kamen im Schnitt zu den Heimspielen ins Waldstadion, ein Drittel davon Frauen. Im Bermudadreieck des modernen Stadionentertainments (Welle, Jetzt geht's los! und Rock'n'Roll) trieben sie sich unentwegt in orgiastische Open-Air-Stimmung.

Dank ihnen kann die Galaxy auf ein dickes finanzielles Plus zurückschauen und deshalb eine herausragende Position innerhalb der World League einnehmen. Denn die meisten Teams der Liga können sich immer noch nicht selbst tragen und sind deshalb auf die Unterstützung des großen Bruders, der National Football League (NFL), angewiesen. Trotz des sportlichen Aufschwungs aller amerikanischen Mannschaften in diesem Jahr, fiel die Resonanz in der Öffentlichkeit dort eher mau aus.

Die Amerikaner haben schon zuviele aus dem Boden gestampfte Ligen neben der NFL kommen und gehen sehen, so daß sie sich einen gewissen Zynismus nicht mehr verkneifen können. Selbst die Einschaltquoten im Fernsehen beim wichtigsten Sender ABC liegen mit 1,7 Prozent noch unter der letztjährigen Marke (1,9) zurück. Da können selbst noch die festen Verträge für 1993 ins Wanken geraten. Auch wenn es in Frankfurt im Augenblick noch nicht danach aussieht, eine Zitterpartie ist die Zukunft der World League nach wie vor.

Für die fünf deutschen Spieler, die sich in diesem Jahr für die Galaxy ins Getümmel warfen, verlief die Saison unterschiedlich. Kicker Stephan Maslo wurde schon nach dem Vorbereitungsspiel nach Hause geschickt. Für ihn kam der vielseitige Düsseldorfer Andreas Motzkus ins Aufgebot, der aber nur in einem einzigen Spielzug mitwirken durfte. Für die letzten beiden Spiele mußte er Dirk Reesing Platz machen, der immerhin auf einige nette Special-Team-Einsätze verweisen konnte.

Bleiben noch die kräftigen Hünen Olaf Hampel und Gerald Olszewski. Beide verrichteten Schwerstarbeit in der Stammformation und konnten die Lücke zu den US-Spielern kleiner gestalten. „Beide können nächstes Jahr wiederkommen“, kündigte Manager Luck schon an. „Ansonsten wird es einige Veränderungen geben. Denn, dem Heimsieg im letzten Spiel zum Trotz, drei Siege bei sieben Niederlagen sind einfach keine gute Bilanz.“