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: Kein Weg zurück

■ Nach dem Rücktritt General Suchindas richtet sich der Unmut gegen König Bhumibol

Als General Suchinda Kraprayoon gestern in einer knappen Fernsehansprache seinen Rücktritt verkündete, war damit endlich die erste wichtige Forderung der Demokratiebewegung erfüllt. Der Premier, der für das Blutbad an friedlichen Demonstranten verantwortlich ist, konnte dem öffentlichen Druck nicht länger standhalten. So überfällig sein Rücktritt war, kann dies doch die Demokratiebewegung nicht zufrieden stellen. Demonstranten mußten erleben, wie agents provocateurs der Armee den Vorwand lieferten, zu schießen, doch der Oberfehlshaber der Streitkräfte ist weiterhin in Amt und Würden. Derweil erhärtet sich der Verdacht, daß Hunderte von Demonstranten erschossen und von Soldaten heimlich verscharrt wurden.

Viel überraschender und dramatischer als der Abgang Suchindas ist der Autoritätsverlust, den König Bhumibol und die gesamte königliche Familie in diesen Tagen erleben. Während die Soldateska in den Straßen von Bangkok mordete, hatte König Bhumibol geschwiegen. Viel zu spät hatte er Suchinda und den Hoffnungsträger der Opposition, Chamlong, zu sich gerufen und ein Ende der Konfrontation verlangt. Jetzt billigte er per königlichem Dekret eine Amnestie für die Killer in Uniform. Langsam beginnt die Bevölkerung Thailands, für die ihr König eine über alles respektierte, sakrosankte Figur verkörperte, zu erkennen, daß auch er seine Macht dem Militär verdankt.

Die wirtschaftlichen Schäden, welche Suchinda und seine Generäle mit ihren Massakern dem „Land der Freien“ zufügten, werden bereits mit Milliarden von US-Dollar veranschlagt. Das Image des prosperierenden buddhistischen Landes ist zerstört. In der nach zwei Jahrzehnten des Wirtschaftsbooms äußerst materiell orientierten Thai- Gesellschaft hat die Militär-Oligarchie schon aus Gründen der Geschäftsschädigung den letzten Kredit verspielt.

So groß das Unbehagen der Thais an ihrer politischen Klasse aber ist, so groß ist auch die Unsicherheit, ob und wie die Krise überwunden werden kann. Die Situation ist äußerst labil. Rückt König Bhumibol nicht eindeutig vom Militär ab, wäre selbst sein Sturz vorstellbar. Thailand jedenfalls ist nicht mehr das Land, das es vor den Blutnächten war. Der neue Mittelstand, der die Demonstrationen getragen hat, ist zu verbittert und selbstbewußt, um von der Forderung nach einer überfälligen Demokratisierung abzulassen. Daß sich der sonst politisch neutrale buddhistische Klerus solidarisierte, wird diese Grundstimmung noch stärken. Sechzig Jahre Dominanz des Militärs und ehemaliger Generäle in der Politik führten zu einem unüberbrückbaren Widerspruch in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes. Es gibt keinen Weg zurück. Michael Sontheimer