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Mit „fifty-fifty“ in die kurdische Zukunft

Bei den Wahlen in Irakisch-Kurdistan teilen sich die zwei großen Parteien nach einer Vereinbarung die Parlamentssitze  ■ Aus Ebril Khalil Abied

Nach drei Tagen heftiger Debatten im Anschluß an die Wahlen in Irakisch-Kurdistan haben die Politiker der kurdischen Front ihren „Kuchen“ fertiggebacken. Für den Chef der „Patriotischen Union“ (PUK), Jalal Talabani, ist er besonders wohlschmeckend. Sein Hauptkontrahent Masud Barsani von der „Demokratischen Partei“ (DPK) ist von dem Produkt der kurdischen Bäckerei weniger angetan. Die kleineren Parteien bekommen von dem neuen Backwerk gar nichts ab.

Am Freitag abend, also vier Tage nach der Wahl, gab das Wahlkomitee schließlich grünes Licht für die Veröffentlichung der Ergebnisse. Die beiden Chefs der großen Parteien, Barsani und Talabani, waren sich hinter den Kulissen einig geworden. Sie teilen sich das zukünftige kurdische Parlament kurzerhand „fifty- fifty“ auf. Offizielles Endergebnis: 50,22 Prozent für die DPK und 49,78 für die PUK. Erstere erhält den Posten des Parlamentssprechers, während Talabanis Partei den Vorsitzenden des Exekutivkomitees stellen wird.

Alle anderen Parteien sind an der Sieben-Prozent-Hürde zum Einzug ins Parlament gescheitert. Am meisten Stimmen erhielt von den „Kleinen“ überraschend die Liste der Islamischen Bewegung mit 5,1 Prozent. Sozialisten, Kommunisten und die „Demokratische Volkspartei“ liegen alle unter 3 Prozent.

Von den vier Kandidaten für den Posten des „ersten Mannes“, der mit der Zweitstimme direkt gewählt wurde, erreichte keiner die notwendigen 50 Prozent. Innerhalb der nächsten zwei Monaten soll es nun zu einer Stichwahl kommen.

Hinter den Kulissen spricht man von einem „vereinbarten Ergebnis“ zwischen den beiden großen Parteien. In Wirklichkeit habe die DPK eine knappe Mehrheit erhalten und wäre mit 52 Sitzen im neuen Parlament vertreten, währdend Talabanis Partei nur 48 Sitze zustünden.

Barsani sprach gegenüber der taz von einem Sieg seiner Partei. Man habe aber Konzessionen gemacht, um die Einheit des kurdischen Volks zu wahren. Damit sollten Kämpfe zwischen den Anhängern der beiden großen Parteien verhindert werden. „Ab jetzt werden allerdings keine Zugeständnisse mehr gemacht“, sagte Barsani. Aus Kreisen seiner Anhänger war zu hören, daß die Ergebnisse des Wahllokales Nr.16 nicht berücksichtigt wurden. Dort hatte die DPK die Mehrheit der Stimmen erhalten. Mit diesem Kniff stehen die beiden großen Parteien nun praktisch gleich stark da.

Mahmud Osman, der Chef der „Sozialistischen Partei“, bestätigte, daß Barsani große Zugeständnisse gemacht habe. Die kleinen Parteien hätten es abgelehnt, sich an dem Klüngel der großen zu beteiligen. Ein Vorschlag der DPK und der PUK, die Sieben-Prozent-Hürde nachträglich zu senken und es so einigen der kleinen Parteien zu ermöglichen, ins Parlament einzuziehen, stieß bei ihnen auf taube Ohren. „Wir wollen nicht dem Wahlgesetz zuwiderhandeln“, sagte Osman.

Einheit ist wichtiger als abwaschbare Tinte

Die „Kleinen“ warfen den „Großen“ Wahlfälschung vor. Besonders Sozialisten und Kommunisten forderten Neuwahlen. Bewaffnete Trupps der großen Parteien haben nach Angaben Osmans die Anhänger der kleinen daran gehindert, ihre Stimme abzugeben. „Die Tinte, die die Finger derjenigen makierte, die bereits gewählt hatten, konnte sogar mit Wasser und Seife abgewaschen werden“, beschwerte sich Osman.

Schließlich haben die „Kleinen“ das Ergebnis doch akzeptiert. „Wir wollten nicht, daß das kurdische Volk, das so viele Hoffnungen in diese ersten Wahlen gesetzt hatte, enttäuscht wird. Außerdem müssen wir verhindern, daß unsere Feinde die Situation ausnützen“, rechtfertigte Osman seine Zustimmung.

Es scheint so, als ob mit diesen Wahlen das Problem der „zweiköpfigen Führung“ der Kurden nicht gelöst wurde. Auch für die Zukunft wird damit gerechnet, daß die Differenzen zwischen der DPK und der PUK die Entscheidungsprozesse im Parlament lahmlegen. Talabani konnte durch kluges Manövrieren eine politische Niederlage verhindern. Er nutzte den Druck der kleinen Parteien aus, die eine Wiederholung der Wahlen forderten, und sprang auf den gleichen Zug auf.

Trotz dieser Mauscheleien war die Stimmung in der Bevölkerung gut. Als die Ergebnisse veröffentlicht wurden, begannen die Menschen zu feiern. Autokonvois fuhren durch die Straßen, Freudenschüsse wurden in die Luft gefeuert. Die meisten riefen die Namen der beiden Kurden-Chefs Talabani und Barsani in einem Atemzug. Einstimmig wurde ein Lied angestimmt: „Wir werden den irakischen Präsidenten Saddam Hussein nie wieder sehen.“

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