Suchinda zum Rücktritt gezwungen

Die thailändische Opposition fordert Bestrafung aller Schuldigen/ Bangkoks Bevölkerung trauerte gestern um die Opfer der Massaker/ König ernennt einen neuen Oppositionsführer im Parlament  ■ Aus Bangkok Paul Simon

Aus Gerüchten wurde schließlich Gewißheit: Über sämtliche Fernsehkanäle verlas ein verkniffen dreinblickender Ministerpräsident Suchinda Krapayoon gestern sein Rücktrittsgesuch. Damit erfüllte er die wichtigste Forderung der Demonstranten, die seit Anfang der Woche zu Hunderttausenden auf die Straße gingen.

Angesichts ihrer anhaltenden Proteste hatte am Mittwoch der thailändische König persönlich interveniert. Kraft seiner ungebrochenen Autorität erwirkte er die Freilassung des populären Oppositionsführers Chamrong Srimung. Ausgangssperre und Kriegsrecht wurden aufgehoben, die Soldaten in ihre Kasernen zurückbeordert. Dafür versprachen die demokratischen Gruppen, ihre Protestaktionen vorläufig einzustellen.

Eine ungeheure Welle der Empörung breitete sich nach Aufhebung der Zensur im Land aus, als das ganze Ausmaß des dreitägigen Massakers bekanntwurde. Zu Zehntausenden gingen die Menschen in allen größeren Städten des Landes auf die Straße und forderten die unverzügliche Bestrafung der Verantwortlichen und den Rücktritt der Regierung.

Angesichts dieser Protestwelle bekundete die herrschende promilitärische Fünf-Parteien-Koalition am Samstag ihre Zustimmung zu der von der Opposition geforderten Verfassungsänderung. Wichtigster Punkt der Neuerung: der Premierminister muß ein gewählter Parlamentarier sein. Damit wurde General Suchinda Krapayoon, seit letzter Woche von der Bevölkerung nur noch Schlächter von Bangkok oder Thailands Saddam genannt, zum Rücktritt gezwungen.

Gleichzeitig ernannte der König den ehemaligen Militärchef und Chef der Neue-Aspirations-Partei, Chaowalit Yongchaiyuth, zum Führer der Opposition im Parlament, der aufgrund dieser beispiellosen Intervention als aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten gilt.

Traditionelle versus moderne Elite

Suchindas letzte Amtshandlung bestand in der Durchsetzung einer Amnestie aller an den Unruhen Beteiligten, einschließlich der schießenden Militärs und ihrer Führer. So rückt für die demokratischen Gruppen und die Oppositionsparteien die Forderung nach Bestrafung all derer in den Mittelpunkt, die für das blutige Gemetzel unter den Demonstranten verantwortlich sind. Die Organisationen verlangen eine Mordanklage gegen Premier Suchinda selbst und zwei seiner engsten Kumpanen und Mitputschisten, Armeeführer General Kaset Rojananil und General Issarapong Noonpakdee, sowie gegen Innenminister Anan Kalinta. Derart in die Ecke getrieben, wollen die Warnungen vor einem neuen Putsch nicht verstummen, mit dem die Militärführung versuchen könnte, das Blatt doch noch zu ihren Gunsten zu wenden.

Insbesondere den westlich orientierten städtischen Eliten, den Mittelklassen und der Intelligenz ist die Dominanz der Militärs im freigewählten Parlament schon lange ein Dorn im Auge. Weniger als andere Gesellschaftsschichten sind sie bereit, Korruption, Mißwirtschaft und autokratische Herrschaft länger hinzunehmen. So nimmt es nicht Wunder, daß auch viele Geschäftsleute, höhere Angestellte und Manager, meist an ihren mitgeführten Handtelefonen erkennbar, sich den Protestaktionen anschlossen. Auf den Wirschaftsseiten großer Zeitungen machten sie kein Hehl aus ihrer Ablehnung der Suchinda-Regierung.

Deutliche Worte fand auch eine Versammlung von vierzig Rektoren sämtlicher Universitäten und Fachhochschulen des Landes, ebenso wie die großen Krankenhäuser Bangkoks. Mitarbeitern und Studenten wurde das Tragen von Trauerkleidung zum Gedenken an die Ermordeten empfohlen, bis General Suchinda seine Verantwortung für das Massaker übernehme und zusammen mit der Regierung zurücktrete. Für die gleichen Forderungen wurden in einer für Thailand ungewöhnlichen Aktion innerhalb von zwei Tagen Tausende von Unterschriften unter den Beamten des Finanz- und des Außenministeriums gesammelt. Viele Berufsverbände wie die der thailändischen Journalisten und Notare sowie Einzelgewerkschaften haben sich mit Erklärungen den Forderungen angeschlossen.

Der Sonntag galt der Trauer über die Opfer der Demonstrationen. Am Vormittag pilgerten rund 50.000 Menschen zu den Schauplätzen der Auseinandersetzungen in Bangkok, um Kränze und Blumen niederzulegen oder Räuchstäbchen zu entzünden. Trauben von Menschen aus allen Schichten bildeten sich an entlang des Weges aufgestellten, vorwiegend von Studenten hergestellten Schautafeln und Wandzeitungen. In vielen Tempeln des Landes fanden Gedenkfeiern statt.