Die Grenzen des Wachstums sind überschritten

Die beiden amerikanischen Wissenschaftler Dennis und Donella Meadows präsentierten in Berlin ihre neuen Berechnungen über die Zukunft des Planeten/ Ausweg aus der Umweltkatastrophe nur noch unter Einhaltung strenger Bedingungen möglich  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — „Es ist immer noch möglich, sich eine dauerhafte Weltgesellschaft vorzustellen.“ Diese optimistische Botschaft der neuesten Studie von Denis und Donella Meadows war über den großen Teich geschwappt und ließ Umweltwissenschaftler und JournalistInnen gespannt auf den Auftritt der beiden US-WissenschaftlerInnen im Berliner Wissenschaftszentrum warten. Schließlich hatte Meadows Team Anfang der siebziger Jahre im Auftrag des „Club of Rome“ die „Die Grenzen des Wachstums“ ausgelotet und so die Selbstgewißheiten der staatlich-industriellen Wachstumsideologen durcheinandergebracht. Waren die Skeptiker von damals nun konvertiert?

Um es vorwegzunehmen, wer darauf wartete, harrte umsonst. Denn die Behauptung der Meadows, die Rettung des Planeten sei noch möglich, haben die beiden nach ihrem neuesten Computermodell an rigide Bedingungen geknüpft. Ein „enormer Wandel im Wirtschaften und in der Ethik“ sei notwendig. Und damit auch keiner sich über die Dimension des Wandels täuscht, lieferten sie gleich die Bewertung der Anstrengungen der vergangenen 20 Jahre dazu.

20 Jahre verschenkt

Die vergangenen zwei Jahrzehnte staatlichen Umweltschutzes haben nicht nur die Umweltschäden nicht reduziert, „es hat auch keine signifikanten Veränderungen im weltweiten Wachstumsprozeß gegeben. Unser damaliges Modell des bedrohlichen physikalischen Wachstumsprozesses ist nach wie vor zutreffend.“ Mit anderen Worten: Die vergangenen Jahrzehnte sind im Sinne des notwendigen revolutionären Wandels verschenkt worden.

Und nicht nur das: Während Denis Meadows Anfang der siebziger Jahre warnte, daß die Grenzen der Belastungsfähigkeit dieses Planeten bald erreicht seien, sind sie nach den neuesten Computermodellen bei vielen Rohstoffen und Energieträgern bereits überschritten. Einige Weltregionen stünden schon heute vor dem Kollaps. Es gelte schnell in den westlichen Industriegesellschaften eine neue, beispielhafte Kultur der Genügsamkeit zu entwickeln, so Donella Meadows. Schließlich fungierten die immer noch als Vorbild für den Rest der Welt.

Wegen des inhärenten kurzfristiges Profitstrebens und der Politiker, die immer nur bis zur nächsten Wahl schauten, setzten die vorhandenen politischen und ökonomischen Instrumente derzeit nur auf kurzfristige Lösungen, schimpfte Denis Meadows. „Es ist, als wenn sie in einem sehr schnellen Auto fahren und statt durch die Frontscheibe durch ein Mikroskop sehen. Und jedesmal, wenn ein Problem auftritt, treten sie aufs Gas.“ Kritisch setzte er sich vor allem mit der Ökonomenzunft auseinander. „Wer auf Wachstum setzt, um das Kapital für umweltpolitische Problemlösungen bereitzustellen, macht einen schwerwiegenden dynamischen Fehler.“ Das notwendige Reparaturkapital werde stärker als die Produktion selbst ansteigen und so die Weltwirtschaft in den Kollaps stürzen.

„Bitterfelder Weg

Martin Jänicke von der Berliner Freien Universität beleuchtet diesen Aspekt in der anschließenden Debatte mit einem praktischen Beispiel. Lange habe Japan mit seinen strikten Grenzwerten und seiner aktiven Umweltpolitik als Vorbild für die westlichen Länder gegolten. Inzwischen könnten aber auch die Japaner mit ihren Gesetzen und technologischen Lösungen die weitere Belastung der Umwelt durch ihr Wirtschaftswachstum nicht mehr aufhalten.

Fünf Prozent Wachstum bedeuteten eben in 70 Jahren eine 32mal größere Produktion. Physikalisch weiterwachsen könne also nicht der Ausweg sein, das sei der „Bitterfelder Weg“ in die Altlast. Jänicke argumentierte für eine „technologische Flucht nach vorn“. Da sei noch lange nicht alles ausgereizt. Und es bleibe ohnehin keine Alternative.

Wie diese Flucht nach vorn angesichts festgefügter wirtschaftlicher und politischer Machtkartelle zu bewerkstelligen ist, wußte von den anwesenden Wissenschaftlern niemand zu sagen. Nicht einmal der Preis tauge, so wie er jetzt genutzt werde, als Steuerungsinstrument, dämpfte Meadows hier Erwartungen. Die Preise müßten erst für die richtigen Ziele eingesetzt werden. Der Markt jedenfalls leiste das nicht.

Der Amerikaner nannte ein simples Beispiel. Der blaue Thunfisch sei wegen Überfischung im Nordatlantik immer seltener geworden. Das habe den Preis für den Fisch steigen lassen, und „blue Tuna“ gelte nun, vor allem in Japan, als Delikatesse und als Statussymbol — und sei noch attraktiver für die Fischer. „Dieses Wirtschaftssystem wird den Thunfisch ausrotten.“