Ein Archäologie-Park vertreibt den Eisvogel

Naturschutz statt Denkmalpflege: Saarländische Kontroverse über deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt „Europäischer Kulturpark“/ Franzosen verärgert über deutsche Krittelei/ BUND plädiert für Natur- statt Kulturpark  ■ Aus Reinheim Heide Platen

Das Flüßchen Blies schlängelt sich südöstlich von Saarbrücken über die deutsch-französische Grenze durch bewaldete Hügel. Die liebliche grüne Landschaft — ohnehin eher selten im Saarland — ist zum Zankapfel geworden. Naturschützer streiten wider Archäologen, Landesregierung und Tourismus, Deutsche gegen Franzosen und umgedreht.

Dabei hatte alles so schön angefangen. 1954 entdeckte der Kiesgrubenbesitzer Johann Schiel beim Sandabbau auf deutscher Seite das reich ausgestattete Hügelgrab einer Keltin. Goldene Hals- und Armreifen, Ringe, Perlen fanden sich als Grabbeigaben. 1978 begannen Jean Schaub und Jean-Paul Petit auf französischer Seite mit der Ausgrabung einer gallo- römischen Siedlung.

Und so entstand die Idee des ersten grenzübergreifenden deutsch-französischen Freundschaftsprojektes: „Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim“ mit gemeinsamer Finanzierung, Planungskommission und Verwaltung.

Der wuchs sich nach einem mit 400.000 Mark dotierten Wettbewerb in der Planung der Pariser Architektengruppe „Blesa“ zu einer 130 Hektar großen Freizeitanlage für 150.000 Besucher pro Jahr aus. Auf deutscher Seite fanden sich noch die Überreste einer römischen Villa, aus deren bescheidenen Ausmaßen auch Experten keinen Hehl machen.

Außerdem sollten ein begehbarer, künstlicher keltischer Grabhügel, Pavillons, ein Museum, Werkstätten, Freizeit-Animation, ein bronzezeitlicher Hof, Parkplätze, eine neue Straße, ein Restaurant und Ferienhäuser die Besucher anziehen.

Ein bunter Prospekt wirbt für das Projekt in der „verkehrsgünstig gelegenen Landschaft“ mit „6.000jähriger, wechselvoller Geschichte“, dem schon die Römer „einen intensiven wirtschaftlichen Aufschwung“ brachten. Danach dürstet es die Region auch heute. Bundesregierung, der französische Staat und die Europäische Gemeinschaft schossen große Summen zu.

Währenddessen formierten sich die Naturschützer zu ersten Protesten gegen das archäologische „Disney-Land“ an der Blies. Sie setzten eine Vorstudie und einen Beratervertrag für umweltfreundlichen Tourismus durch. Das Gutachten klassifizierte das Landschaftsschutzgebiet mit seinen umliegenden Hügeln als „Trittstein“, also Rastgebiet, für den internationalen Vogelzug und registrierte außerdem gefährdete einheimische Vogelarten und Amphibien, darunter den Schwarzmilan und den Eisvogel. Umweltminister Jo Leinen lehnte eine Ausweisung der Bliesaue als Naturschutzgebiet zwar ab, erklärte sich jedoch bereit, Bedenken zu berücksichtigen.

Währenddessen feierte Landesvate Lafontaine im Januar in Paris, zusammen mit dem französischen Kultusminister Jack Lang, das Konzept des Parks mit einer Ausstellung und stellte ein binationales Rechtsabkommen in Aussicht. Die Überprüfung der „Naturverträglichkeit des Projektes durch die französische Seite, so Naturschützer, sei „beim Sekttrinken“ unter den Teppich gekehrt worden. Sie empfanden das als Affront, der dem Ergebnis der Studie „vorgreifen solle“.

BUND-Vorsitzender Hubert Weinzierl drohte aus Bayern mit einer Klage bei der EG wegen Verstoßes gegen die Vogelschutz-Richtlinie. Aus dem Umweltministerium tönte es zurück, der BUND habe sich der Diskussion verweigert und nur miesgemacht. Bernhard Lehnert vom BUND Saar hält dagegen: „Die haben uns nicht schriftlich eingeladen.“ Die Grabungs- und Bauarbeiten sind inzwischen fortgeschritten. Auf französischer Seite prangt der Neubau eines Restaurants, nebenan am Teich stehen zehn Ferienhäuser, Fertigbau „im römischen Landhausstil“ und im privaten Besitz des Kiesgruben-Eigners Eberhart, der hier vorher den Sand abbaute und jetzt, so die Naturschützer, „umweltschädlich Kies machen möchte“. Er ist, laut Saarländischem Rundfunk, ein „wohlhabender Freund“ von Schaub. Mit den Gebäuden wurden vorab Fakten geschaffen. Eine Kläranlage ist nicht vorhanden. Die Abwässer werden über eine einfache Sickergrube direkt in den Tümpel geleitet, der im Prospekt gleichzeitig als Angel-Paradies angepriesen wird. Sie stehen auf dem Unrat einer ehemaligen Mülldeponie. Der Teich ist ausgebaggert, seltene Wasservögel sind verschwunden.

Auch darüber, ob die Qualität der archäologischen Funde aus der Römer-Zeit es rechtfertigen, hier ein Freizeit-Mekka zu errichten, gibt es Streit. Der inzwischen pensionierte Archäologie-Professor Alfons Kolling beantwortete eine Anfrage des Kultusministeriums eher verdrossen. Der Wiederaufbau der römischen Villa werde in einem Prospekt mit der „anspruchsvollen Architektur“ des Fundes begründet. Kolling: „Damit kann das spärliche originale Mauerwerk nicht gemeint sein.“ Und „jedermann weiß um die Verlorenheit archäologischer Schau, wenn sie bloß aus Mauergevierten besteht.“ Der Wiederaufbau, vermutet Kolling, habe ausschließlich touristische, nicht aber wissenschaftliche Gründe. Das Mauerwerk sei in den vergangenen Jahrhunderten weitgehend durch Kalkbrenner und Bauern geplündert und zerstört worden. Er selbst habe festgestellt: „Die Handvoll Säulensplitter haben ihr Versprechen nicht gehalten.“ Und: „In Bliesbrücken waltet die museale Unerfahrenheit. Es ist eine Illusion, mit Römerwerkeln ein Museum auch nur kurzfristig beleben zu können.“

Den Aufbau der Keltengräber nennt Kolling ein „fatales Mausoleum“. Er schlägt statt dessen ein „wirkliches Keltenmuseum“ in Ortsnähe und einen naturverträglichen Besichtigungssteg über das Grabungsgelände vor. Römische Anlagen seien anderswo wichtiger und besser erhalten.

Dem widersprach Kultus-Ministerialrat Kronenberger in einer Umweltausschuß-Sitzung heftig. Er stellte den Schutz des „Tatortes der Geschichte“ von „besonders charakteristischer Eigenart“ über den Naturschutz. Außerdem vergifte die Krittelei an den Franzosen das Klima und sei „ein beschämender Zwischenstand für das beginnende Europa“.

Der Augenschein gibt Kolling allerdings recht. Dies alles ficht den Initiator Jean Schaub nicht an. Er führt schon jetzt ganze Busladungen von Besuchern durch die Anlage, deren eher fragmentarische Rudimente säuberlich aufgemauert sind. Schaub holt weit mit dem Arm aus und deutet voller Grabungsdrang über die Wiesen: „Das ist alles noch unterbaut.“ Er ist ein gemütlicher Mensch, der gerne erklärt: „Das war die Bibliothek. Da haben sie gelesen.“ Das Grabungsfeld ist sein Lebenswerk. Schaub reagiert nicht nur zornig auf Reizworte wie „Weißstorch“ und „Eisvogel“. Er empört sich auch über die Deutschen, die an der französischen Seite herumnörgeln, aber vor ihrer eigenen Tür nicht kehren wollen. Es sei, sagt Schaub, schließlich nicht auf seiner Seite gewesen, wo Unbekannte, vermutlich die Bundesbahn, das Gestrüpp an der alten Bahnlinie gerodet haben und wo der Kiesgrubenbesitzer Bauschutt ablädt und die Landschaft weiter zerstört. Er belegt die Schandtaten akribisch mit Fotos und deutet in Richtung Deutschland: „Da wo keine Bäume mehr sind, da ist die Grenze!“ Er jedenfalls habe seinen Bereich des Bliestales nicht vernichtet, sondern im Gegenteil gerettet. Alles andere sei „eine Lügenkampagne“.

In der Tat stoßen die derzeitigen deutschen Aktivitäten ebenso wie die Baupläne für den Park auch nicht auf die Gegenliebe bei BUND und Vogelschützern. Ihr größeres Problem sei es aber, so BUND-Sprecher Uwe Grieger, den Franzosen die grenzübergreifende Anerkennung der deutschen Umweltverträglichkeitsprüfung abzuringen. Und die lassen sich, das macht Jean Schaub deutlich, nicht gerne etwas vorschreiben.

Die Naturschützer hoffen auf das in diesen Wochen erwartete Gutachten. Unnachgiebig beharren sie jedoch auf einigen ihrer Forderungen. Die Ufer der Blies seien „absoluter Tabubereich“ und mit Bäumen gegen die Parkbesucher abzuschirmen. Und: „Die Ferienhäuser müssen weg!“