Waigel hält Süssmuth für eine „Zumutung“

Erding/Bonn (afp) — CSU-Chef Theo Waigel hat Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) wegen ihrer Haltung in der Abtreibungsfrage scharf angegriffen und ihr den Rücktritt nahegelegt. Es sei „unerträglich“ und eine „Zumutung für CDU und CSU“, wenn sich Süssmuth für eine Regelung einsetze, die den Schutz des Lebens aufweiche, sagte Waigel am Samstag auf dem Kleinen Parteitag der CSU in Erding. Süssmuth und die Frauenunion wiesen die Vorwürfe umgehend zurück. Bei der Abstimmung über die Reform des Paragraphen 218 gelte für jeden Abgeordneten Gewissensfreiheit, gleich welches Amt er begleite, sagte Süssmuth im Fernsehen.

Sie betonte, sie halte einen Abbruch nur in schwerer Notlage für erlaubt. Aber man müsse sich schützend vor die Frauen in solchen Konflikt-Situationen stellen und ihre Entscheidung nicht durch Gerichte überprüfen lassen. Die neue Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) begrüßte, daß der von SPD und FDP ausgearbeitete Gruppenantrag für eine Fristenlösung mit Beratungspflicht auch in Kreisen der Union Zustimmung finde. Sie selbst und die FDP seien bereit, über alle Details des Gruppenantrages offen zu sprechen, auch über Änderungsvorschläge von Unionsabgeordneten. Sie glaube nicht, daß ein wirksamer Schutz des ungeborenen Lebens durch eine Bestrafung der Frau erreicht werden könne.

Unterdessen hat der ehemalige Bundesverfassungsrichter Helmut Simon im 'Spiegel‘ die Meinung vertreten, eine Fristenlösung mit Beratungspflicht, wie sie der Gruppenantrag vorsieht, sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Schon das Karlsruher Urteil von 1975, auf das nun die Gegner einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts verweisen, habe „sehr deutlich betont, daß für den Schutz des ungeborenen Lebens der Prävention Vorrang vor der Repression zukommt“, betonte Simon.