Pop als Nachbarschaftshilfe

■ Alte Bekannte: Yo La Tengo aus dem schönen Hoboken schauen wieder mal in Berlin vorbei

Vielleicht liegt es bloß am Wort- Sound, vielleicht auch an der Art von Urbanität, die er verspricht. Jedenfalls ist Hoboken, neben Hackensack und Albuquerque, mein (US-)amerikanischer Lieblingsortsname. Die DBs kamen aus Hoboken, später die Feelies, noch später Yo La Tengo, die Band, die sich nach dem erlösenden Schrei eines aus Mexiko stammenden Spielers der New York Mets nannte (»Ich hab' sie!« Die Baseballkugel nämlich — in der Hand).

Yo La Tengo waren schon immer Nachzügler. Als 1985 ihre erste Single A House is Not A Motel erschien, war das so vielversprechende Popsong-Reformunternehmen der DBs bereits mehr oder weniger gescheitert, die Feelies schrammelten stoisch vor sich hin, und »Hoboken« sollte schon bald von anderen klingenden Namen wie »Minneapolis«, später auch »Seattle« übertönt werden. Trotzdem hatten Yo La Tengo noch teil am kleinen Mythos um die Stadt (oder den Stadtteil) in New Jersey, der das Versprechen einer funktionierenden In-Group beinhaltete, einer weißen, intellektuellen Variante von »Neighbourhood« mit funktionierenden Independent-Strukturen wie gegenseitigem Ideen- und Bandmitgliederaustausch. Nachbarschaftshilfe eben, auch was Produktion und Marketing anbelangt. Ride The Tiger, die Debut-LP von Yo La Tengo, erschien, wie die folgenden beiden auch, auf »Coyote« dem Label des Feelies-Managers Steve Fallon.

Mittlerweile ist ein neues Jahrzehnt angebrochen, und man kann wirklich nicht behaupten, daß es der Independent-Idee oder der Band den großen Durchbruch gebracht hätte. Aber es gibt sie noch, und sie sind einem ans Herz gewachsen wie früher bloß die Go-Betweens. 1990 hatten sie mit dem akustischen Poesiealbum Fakebook sogar die Platte zum Sommer. Trotzdem machten Georgia Hubley und Ira Kaplan, das Ehepaar im Zentrum der Band, keine Masche draus. Auf May I sing with me, der LP zur aktuellen Tour (produziert von Ex-DB Gene Holder), wechseln sich die aufs Wesentliche zusammengestrichenen Folkie-Weisen wieder mit jener Art von Gitarrenarbeit, die man mangels sprachlicher Differenzierungsgrade für Krachklänge gerne »Feedback-Orgien« nennt: ein expressives und doch strukturiertes Aus-sich-Rausgehen, das auch auf dem vielbeachteten Guitarrorists-Sampler nicht schlecht aufgehoben gewesen wäre. Nein, die Gitarre ist nicht tot, eigentlich riecht sie noch nicht einmal besonders komisch. Thomas Groß

Heute, 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz. Im Vorprogramm: Seam (USA)