Gott ist eine Katze

■ Rita Mae Brown las auf Einladung von »Prinz Eisenherz« und »Marga Schöller«

Lesbische Bestsellerautorinnen sind spärlich gesät. Wenn sie aus Übersee eingeflogen werden und Rita Mae Brown heißen, steht frau gern in der brütenden Hitze eines Sonntagvormittags am Stadt- Tor (ehemals Haus Kato) Schlange, um gegen Bares zumindest einen Stehplatz sowie einen Blick auf die Schreiberin zu erhaschen. Rita Mae Brown strahlt und gibt sich angesichts Hunderter von Leserinnen gut gelaunt auf der ersten Tour durchs Land ihrer deutschen Vorfahren. Ganz in Schwarz gekleidet nimmt sie Platz, um im breitesten Südstaaten- Slang witzige Passagen aus Wish you were here zu intonieren, ihrem achten und bislang letzten Roman in deutscher Übersetzung.

»The author's note« bringt an den Tag, warum die Fraktion der Katzenhalterinnen im Publikum so besonders zahlreich vertreten ist: die eigentliche Verfasserin des Romans heißt Sneaky Pie Brown und ist eine Katze — die von Rita Mae nämlich. Neun Katzen hat sie, aber mit Sneaky Pie scheint es sich um ihre Favoritin zu handeln. Nicht nur, daß diese auf dem Cover als Koautorin aufgeführt ist — auch das Vorwort entstammt einem genialen Katzenhirn, welches prompt die geistige Mittäterinnenschaft für das gesamte Oeuvre Rita Mae Browns beansprucht.

Doch Katzen, selbst wenn sie als Romanciers agieren, unterliegen erschwerten Einreisebedingungen. Folglich mußte sich »Mother« Rita Mae allein ins Land der Väter aufmachen, um aus dem Krimi Wish you were here zu lesen. Unkonventionell an dieser detective story sind die Detektoren: schon wieder eine Katze... und ein Hund. Die Moral hinter den Zeilen: Gott ist eine Katze, und die Katze ist ein Detektiv, sozusagen Miß Marple auf vier Beinen.

Rita Mae Brown liest dann aus ihrem Erstlingswerk, das man heute getrost als Kultroman bezeichnen darf: Rubinroter Dschungel. Mit dieser Geschichte scheint sie verwachsen, oft muß sie gar nicht mehr das Manuskript zu Rate ziehen, viel zu gut kennt sie die vor mittlerweile 19 Jahren verfaßten Zeilen. Fast scheint es, als wäre der Text eine Novität, dabei kennen ihn alle. Es wird lauthals gelacht, zwischenapplaudiert, frau amüsiert sich köstlich. Am meisten freut sich Rita Mae Brown.

Nach dem tosenden Schlußapplaus versickert die Diskussion zunächst in privatem Geplänkel über Pferde, Katzen (gähn), ehemalige Liebhaberinnen und erreicht den intellektuellen Tiefpunkt schließlich, als eine 'BZ‘-Leserin aus der ersten Reihe sich doch tatsächlich die Bestätigung der Schlagzeile erhofft, Martina N. sei möglicherweise Weltklasse auf dem Tenniscourt, im Schlafzimmer aber...

Doch es gibt anspruchsvollere Themen: Rita Mae Brown teilt mit, daß sie gern Christa Wolf und Geoffrey Chaucer lese. Sie ist in deutscher Militärgeschichte bewandert und hält Humor für ein aggressives, nur von Männern zitiertes Stilmittel, mit Ausnahme ihrer eigenen Person, versteht sich.

Daß neuerdings lesbische Charaktere in ihren Romanen nicht mehr vorkämen, muß sie dementieren. Allerdings, und recht hat sie, will sie als Teil einer unterdrückten Gruppe nicht immer nur die eigene Diskriminierung thematisieren. Rita Mae Brown erhebt den Anspruch auf künstlerische Weiterentwicklung. Das Lachen sei die höchste Stufe des Intellekts, lautet ihre Philosophie. Sie will nicht Schwerter zu Pflugscharen, sondern »Spiegel zu Fenstern« machen, und der Blick aus dem Fenster ist nicht notgedrungen homosexuell. Andrea Winter