CHRISTINA HAVERKAMP UND RÜDIGER NEHBERG WOLLEN NACH MIAMI WEITERSEGELN

Indianer retten im Hurrikan?

Göttingen (taz) — Bananen, Kartoffeln und Tomaten brachte Christoph Columbus von seinen Entdeckungen in der Neuen Welt mit. Diese Indio-„Geschenke“ haben die europäischen Eßgewohnheiten revolutioniert. Steht uns jetzt, 500 Jahre nach Columbus, eine medizinische Revolution aus der Neuen Welt ins Haus? Das glauben die Kieler Abenteurerin Christina Haverkamp (34) und der Hamburger Survivalexperte Rüdiger Nehberg (57).

Nach der erfolgreichen Atlantiküberquerung mit ihrem Bambusfloß, die sie den Menschen- und Landrechten der amerikanischen Indianer gewidmet haben, erhielten sie von ihren Schützlingen ein wertvolles Geschenk. Das erst vor 15 Jahren entdeckte Volk der Waiapi-Indianer überreichte ihnen eine kakteenartige Pflanze. Bei den Urwaldbewohnern steht sie im Ruf, bereits nach siebenwöchiger Therapie Krebs zu heilen.

Nehberg und Haverkamp, die vorübergehend in Deutschland verschnaufen und ihre Brötchen mit Diavorträgen verdienen, wollen diese nicht ganz ungiftige Droge pharmazeutisch untersuchen lassen. Eigentlich hatte das Abenteurerduo die Waiapis gar nicht auf ihrem Plan. Doch auf der Reise vom brasilianischen Fortaleza nach Dominika sind die beiden Flößer vor der Amazonasmündung in einen 100 Kilometer breiten Strudel geraten, der sie tagelang im Kreis drehte und im Schlamm zu versenken drohte. Im Sturm brach die Stange des Rahsegels. Das Ankertau mußten sie kappen, weil sich ihre lebensrettetende „Bremse“ in einem Schiffswrack verfangen hatte. Fast manövrierunfähig konnten sie sich gerade noch in einen Seitenarm des Amazonas retten. Flußaufwärts stießen sie dann auf den nur 500 Menschen zählenden Indianerstamm.

Aufgrund der gefürchteten Strömungen im Amazonasdelta konnten Nehberg und Haverkamp den Urwaldfluß nur noch auf dem Landweg verlassen – um Wissen bereichert und einen Teil ihrer Ausrüstung erleichtert, denn Urwaldindianer kennen kein Privateigentum. Das Floß wurde mit Indiohilfe bis zur nächsten Urwaldpiste getragen. Per Lastwagen ging es über die Berge nach Französisch-Guayana, von dort über Neptuns Planken nach Dominika.

Jetzt feiern sie ihre Atlantiküberquerung, zu der sie am 15. Dezember 1991 im westafrikanischen Dakar aufgebrochen waren, als Riesenerfolg. „Viele Millionen Brasilianer haben durch unsere Aktion erstmals von dem Sterben der Yanomami-Indianer, die im Amazonas-Becken von Goldsuchern und Malaria heimgesucht werden, erfahren“, sagt Nehberg. Auch hätten sie die Idee, Klima als Ware zu handeln und Brasilien Geld für den Erhalt der Amazonasurwälder zu zahlen, weltweit publik gemacht.

Erfolg hatten sie auch auf Dominika. Die Premierministerin des kleinen Karibikstaates konnten sie dazu bewegen, den 3.000 in Reservaten eingezwängten Indianern die Anerkennung als indigenes Volk, Selbstverwaltung, Trinkwasser und Schulen zu versprechen.

Im Juli wollen Nehberg und Haverkamp mit ihrem sieben Meter langen Bamboo Raft, das zur Zeit auf Dominika überholt wird, nach Miami aufbrechen. Dort möchten sie auch den nordamerikanischen Indianern ihre Versöhnungsbotschaft, mit der sich europäische Persönlichkeiten bei den amerikanischen Ureinwohnern für 500 Jahre Ausbeutung und Unterdrückung entschuldigen, überbringen.

Gefahr droht ihnen von Hurrikanen, die in dieser Jahreszeit oft mit zerstörerischer Kraft durch die Karibik fegen. Sie könnten die 3.000 Kilometer lange Teilstrecke zum gefährlichsten Abenteuer der gesamten Reise machen. Nehberg, der schon bei der Atlantiküberquerung ständig seekrank gewesen war, denkt mit Schrecken daran. „Ich mag das Meer überhaupt nicht und hasse die endlose Wasserwüste. Die ewigen Fischmahlzeiten kommen mir schon aus den Ohren raus, das Salzwasser erzeugt bei mir Brechreiz“, gesteht der Exkonditor. Er schwärmt vom Regenwald und schwört, daß es seine letzte Seereise sei.

Von Miami wollen Nehberg und Haverkamp ihr Floß über die Autobahn nach Washington karren. Damit hoffen sie, US-Präsident George Bush noch vor den Wahlen zu Zugeständnissen gegenüber den nordamerikanischen Indianern bewegen zu können. „Wenn der uns nicht empfängt, klemmen wir das Bambusfloß als Mahnmal zwischen die Säulen des Weißen Hauses“, sagt Haverkamp halb im Scherz und halb im Ernst. Peter Hermes