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Punkerin Steffi: Die Farbe Schwarz

■ Steffi Graf gewinnt den Auftakt zu den French Open und gewährt erstmals einen Einblick in ihr Innenleben: „Hang zu allem Dunklen“/ Kampf gegen Doping auch im Tennissport notwendig

Berlin (dpa/taz) — Extrem zugeknöpft sei sie gewesen, gallig und sehr abweisend, urteilten einhellig Zuschauer und Journalisten bei den Internationalen Deutschen Damen- Tennismeisterschaften in Berlin. Doch knapp zwei Wochen später präsentiert sich Steffi Graf zum Auftakt der French Open in Paris als ganz neue Brühlerin. Sonst eher griesgrämig im Umgang mit der Presse, gewährte sie plötzlich und unerwartet einen seltenen Einblick in ihre Gefühlswelt. Am Abend vor ihrem Auftaktmatch gegen die Kanadierin Rene Simpson-Alter, die sie am Montag im Eröffnungsmatch erwartungsgemäß souverän mit 6:3, 6:1 schlug, lud die dreimalige Wimbledon-Gewinnerin — erstmals nach den geschmacklosen Enthüllungen über die außerehelichen sexuellen Beziehungen ihres Vaters — nach 16 Monaten wieder zu einer ungezwungenen Gesprächsrunde mit deutschen Journalisten ein.

Überraschung Nummer zwei: Es wurde keine Diskussionsrunde über den Topspin oder den Rückhandslice— vielmehr diktierte die 22jährige den Journalisten ihre heimlichen Vorlieben und unerfüllten Wünsche außerhalb des Platzes in den Block. Ein klarer Fall von Image-Veränderung, aber auch ein Zeichen für gewachsenes Selbstbewußtsein. Offenbar hat Steffi Graf beschlossen, ihre Flucht vor der Außenwelt zu beenden. So erzählte sie beispielsweise — was noch vor wenigen Monaten undenkbar erschien — freimütig über ihren Hang zu allem Dunklen, Abgründigem, zu „dramatischer“ Musik und der „Lieblingsfarbe Schwarz“. Mit dem Existentialismus Sartrescher Prägung hat diese Vorliebe jedoch nichts zu tun, eher — schlicht — mit Teigwaren. So habe sie sich bei den aufsehenerregenden Werbespots für ihren Nudel-Sponsor „ausgesprochen wohl gefühlt, weil alles um mich herum dunkel war und ich mich schwarz anziehen durfte“. Und neulich, so erzählte sie, habe sie während des Berliner Turniers ein Konzert der Punkgruppe „Jesus And Mary Chain“ besucht, „in schwarzen Klamotten, schwarzer Mütze und schwarz geschminkt“.

Erkannt worden sei sie dort nicht, weil „die, die auf solche Konzerte gehen, wohl mit Tennis nicht viel am Hut haben und mich dort sicher auch nicht erwarteten“. Derlei Erlebnisse sucht Steffi Graf in regelmäßigen Abständen, einfach aus Neigung; weil sie eben ein introvertierter Typ sei, „und nicht, wie oft geschrieben wird, weil ich zu Depressionen neigen würde“.

Davon sei sie weit entfernt, ebenso weit wie der Tennissport von einer wirksamen Doping-Bekämpfung. Ein Thema, daß Steffi Graf nicht zuletzt durch den Fall Katrin Krabbe und den sich häufenden Enthüllungen in anderen Sportarten augenscheinlich am Herzen liegt. „Im Tennis wird das Problem nicht angegangen. Das empfinde ich als absoluten Mangel.“ Zumal sie die von vielen Medizinern geäußerte Ansicht, die Einnahme von leistungsfördernden Mitteln sei im Tennissport unwirksam, nicht teilt. „Ich glaube, daß da einiges machbar ist hinsichtlich der Beweglichkeit, des Aufbaus und der schnellen Regeneration.“

Sie selbst habe schon im Match das Gefühl gehabt, daß bei der Gegnerin („Ich werde mich hüten, einen Namen zu nennen“) nicht alles mit rechten Dingen zuging. Den vollmundigen Ankündigungen der Spielerinnen-Vereinigung WTA, ständige Kontrollen einzuführen, seien aber auch nach vier Jahren keine Taten gefolgt. „Ich bin niemals getestet worden, außer bei den Olympischen Spielen. Und ich kenne keine einzige Spielerin, die schon mal bei einem Turnier kontrolliert wurde.“

Bei aller Mitteilsamkeit sind die Prioritäten im Leben der Steffi Graf dieselben wie vor fünf Jahren. „Tennis als solches hat absoluten Vorrang. An der Motivation hat sich nichts geändert.“ Zumal jetzt, wo sie das Gefühl habe, nach der sportlichen Durststrecke des vergangenen Jahres wieder zur alten Stärke zurückgefunden zu haben.

Ein Umstand, an dem ihr zum Jahreswechsel engagierter Trainer Heinz Günthardt maßgeblichen Anteil hat. Der Schweizer hat dafür gesorgt, daß die Weltranglistenzweite ihr Spiel variabler gestaltet. Dinge, die auch andere vor ihm schon ändern wollten, „doch damals habe ich nicht daran geglaubt und es deshalb nicht gemacht“. Bei Günthardt, dessen Fachwissen von Steffi Graf bewundert und dessen „positive Ausstrahlung“ von ihr geschätzt wird, ist die Vertrauensbasis für eine offensivere Gangart gegeben. „Ich habe jetzt einen Plan“, sagte die Brühlerin, „der fängt beim Aufschlag an.“ Doch soll er nicht mehr beim Matchball aufhören. miß

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