Asylrecht für Haitianer außer Kraft

Bush ordnet Zwangsrückführung von Flüchtlingen an/ „Keine Gefahr von Repressionen“/ Bürgerrechtsorganisationen sprechen von Verletzung internationalen und US-amerikanischen Rechts  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Die US-amerikanische Regierung hat gestern das Asylrecht für haitianische Flüchtlinge faktisch außer Kraft gesetzt. Zwischen Wahlkampfreden und einigen Runden Golf ordnete Präsident Bush von seinem Ferienort Kennebunkport aus an, daß die US-Küstenwache haitianische Flüchtlingsboote ab sofort stoppt und wieder in ihre Heimat eskortiert. Begründung: der US-Navy- Stützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba, wo mittlerweile über 12.000 Flüchtlinge untergebracht sind, sei überfüllt.

Judy Smith, Sprecherin des Weißen Hauses, fügte hinzu, den Flüchtlingen werde nach ihrer erzwungenen Rückkehr geraten, zur US-Botschaft zu gehen und dort Asyl zu beantragen. Die Putschisten in Haiti hätten versprochen, daß die Flüchtlinge nach ihrer Rückkehr keinen Repressionen ausgesetzt würden. Recherchen, so Smith, hätten ergeben, daß sich die Regierung in Port-au- Prince an diese Zusicherung halten würde. Tatsächlich jedoch berichten abgeschobene Bootsflüchtlinge immer wieder über Festnahmen und Folterungen durch Soldaten.

Erst letzten Donnerstag war die Küstenwache angewiesen worden, nur noch Flüchtlinge zu bergen, deren Schiffe nicht seetüchtig sind oder die nicht genügend Nahrung und Wasser an Bord haben, um ihre Reise Richtung Festland fortzusetzen. Dies Maßnahme zog bereits massive Kritik von Kongreßabgeordneten und Flüchtlingsorganisationen nach sich. Nach Ansicht von Lobbyisten für die haitianischen Flüchtlinge gibt es noch genügend Platz auf Guantanamo Bay, um mehr Flüchtlinge aufzunehmen. US-Behörden hatten in den letzten Tagen in bislang unbekannter Rücksichtnahme behauptet, man riskiere einen Streit mit Fidel Castro, wenn noch mehr Menschen Wasserversorgung und Kanalisation in Anspruch nehmen würden.

US-amerikanische Flüchtlings- und Bürgerrechtsorganisationen kündigten gestern an, gegen die neue Flüchtlingspolitik vor Gericht zu ziehen. Es handele sich um eine „grobe Verletzung internationalen Rechts“, erklärte Arthur Helton vom „Lawyers Committee for Human Rights“. Die jüngste Anordnung verletzt auch nationales Recht: Nach dem „Refugee Act“ aus dem Jahre 1980 haben Flüchtlinge mit „begründeter Furcht“ vor Verfolgung aufgrund ihrer politischen Ansichten Anrecht auf Asyl. Ob solche Gründe vorliegen, wird nun überhaupt nicht mehr geprüft. Von den 34.000 Boat people, die seit dem Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Artistide im September 1991 geflohen sind, hat die Einwanderungsbehörde nach einer ersten Anhörung immerhin 9.000 für potentiell asylberechtigt erklärt.