piwik no script img

Scheer: Öko-Flugzeuge statt „Jäger 90“

Bonn (taz) — Statt des Kampfflugzeuges „Jäger 90“ soll die an seiner Entwicklung beteiligte Luftfahrtindustrie zivile Verkehrsmaschinen mit neuen, ökologischeren Antriebsarten entwickeln. Mit dieser Forderung widersprach der abrüstungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Hermann Scheer, gestern seinem Parteifreund Edzard Reuter. Der Chef des am „Jäger 90“ federführend beteiligten Daimler- Benz-Konzerns hatte behauptet, ein von Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) erwogener Verzicht auf den Bau des Kampffliegers bedeute einen technologischen Rückschlag und international Wettbewerbsnachteile für die deutsche und europäische Luftfahrtindustrie.

Scheer ist der Überzeugung, daß Reuter sowie Jürgen Schremp, Manager des von Reuter vor drei Jahren begründeten High-Tech-Konzerns Deutsche Aerospace (DASA), mit dieser Behauptung in der jüngsten Ausgabe des 'Spiegel‘ versuchten, auf den Verteidigungsminister Druck auszuüben. Rühe will seine Empfehlung zum „Jäger 90“ am 1.Juni dem Bundeskabinett vorlegen. Scheer sieht „gute Aussichten“ dafür, daß seine Forderung „demnächst“ von der gesamten SPD- Fraktion übernommen wird.

Wenn die von Reuter und Schremp angeführten, überwiegend volkswirtschaftlichen Gründe für die Weiterführung des „Jäger 90“ richtig wären, müßte auf jedes auslaufende Modell eines Militärflugzeuges unmittelbar ein Anschlußauftrag folgen, äußerte Scheer. Dieser „Teufelskreis“ müsse „endlich durchbrochen werden“. Der SPD- Politiker schlug vor, die Bundesregierung solle an die am „Jäger 90“-Projekt beteiligte deutsche Luftfahrtindustrie einen Kompensationsauftrag zur Entwicklung umweltverträglicher Zivilflugzeuge mit Katalysatoren und Wasserstoffantrieb vergeben. Dafür stünden zunächst einmal Haushaltsmittel in Höhe von rund 3,2 Milliarden Mark zur Verfügung, die für die Entwicklung des Kampffliegers bewilligt, bislang aber noch nicht ausgegeben wurden. Diese Mittel müßten dann später aufgestockt werden.

Scheer zeigte sich optimistisch, daß sich „mit den richtigen Argumenten“ auch Deutschlands Partner am „Jäger 90“-Projekt — Italien, Spanien und Großbritannien — zu einem „Umstieg hin zum weltweit größten ökologisch-technologischen Projekt“ bewegen lassen. Innerhalb von vier Jahren könnten solche zivilen Verkehrsflugzeuge bis zur Serienreife entwickelt werden, wenn ein entsprechender Einsatz an Geld und Know-how gegeben sei. Außerdem ließen sich, so Scheer, mit einem derartigen Kompensationsauftrag die Arbeitsplätze in der deutschen und europäischen Luftfahrtindustrie längerfristig besser sichern als mit der Weiterführung des „Jäger 90“-Projekts. Für ökologischere Verkehrsflugzeuge existiere ein weit größerer Markt als für Kampfflugzeuge.

Auch mit Blick auf seine eigene Partei widersprach Scheer der „weitverbreiteten, allzu selbstverständlichen Annahme“, der sicherheitspolitische Bedarf für ein neues Jagdflugzeug der Bundesluftwaffe bestehe „prinzipiell“, und die Debatte gehe „allein um die kostengünstigste Lösung“. Diese Position sei nach dem Wegfall der Warschauer Vertragsorganisation und dem Zerfall der Sowjetunion „absolut hinfällig“.

Die „heute noch denkbaren Aufgaben für die deutsche Luftwaffe“ lägen in der Luftraumüberwachung und der Wahrnehmung luftpolizeilicher Aufgaben, in der Kontrolle vereinbarter Abrüstungsmaßnahmen im Rahmen des „Open Skies“-Regimes sowie in der Überwachung der Meere. Dafür sei das vorhandene Gerät der Lufwaffe „bis weit in das nächste Jahrhundert hinein ausreichend“.

Unterdessen hieß es gestern in Bonn aus Koalitionskreisen, „aller Voraussicht nach“ werde es für den „Jäger 90“ keinen Einstieg in die Produktionsvorbereitung geben. Andreas Zumach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen