Karlsruhe entscheidet über Bremen

■ Verfassungsgericht spricht heute das Urteil zur Klage um Länderfinanzausgleich

Heute fällt in Karlsruhe die Entscheidung über die Zukunft Bremens als eigenständiges Bundesland. Nach siebenmonatiger Bedenkzeit wird um 10 Uhr das Verfassungsgericht das Urteil über Bremens Nachforderungen im Bundesländerfinanzausgleich verkünden. Bis zu 595 Millionen Mark jährlich verspricht sich das kleinste Bundesland von dieser Entscheidung. Außerdem hatte Bremen 400 Millionen Mark Nachzahlung für unrechtmäßig vorenthaltene Zahlungen der Jahre 1983-1986 und eine weitere unbestimmte Summe für die Jahre 1987-1991 verlangt. Neben Bremen hatten auch Hamburg, Schleswig-Holstein und das Saarland auf Besserstellung im Finanzausgleich geklagt.

Bürgermeister Klaus Wedemeier und Finanzsenator Volker Kröning werden heute dabei sein, wenn die Leitsätze des mehrere hundert Seiten dicken Urteilstextes in Karlsruhe verlesen werden. Eindeutige finanzielle Auswirkungen werden sich daraus jedoch mit Sicherheit noch nicht ableiten lassen. Wenn das Gericht erwartungsgemäß zu der Überzeugung kommt, daß die bisherige Finanzaufteilung zwischen Bund und Ländern nicht verfassungsgemäß war, muß zunächst einmal eine neue Regelung ausgehandelt werden. Das Verfassungsgericht wird dafür lediglich grobe Anhaltspunkte vorgeben. So war es auch nach dem letzten Karlsruher Urteil in Sachen Finanzausgleich, das im Juni 1986

Bremen zwar im wesentlichen Recht gegeben hatte, später jedoch trotzdem nicht zu den erhofften Mehreinnahmen führte.

Relativ gute Erfolgsaussichten hat Bremen mit seiner Forderung nach Gleichstellung mit dem Saarland, was die Bewertung der besonderen Haushaltsnotlage betrifft. 25 Millionen Mark jährlich würde dies zusätzlich nach Bremen bringen. Und auch eine Besserstellung für die besonderen Kosten der „politischen Führung“ des Zwei-Städte-Landes scheint möglich. Bis zu 50 Millio

hier bitte die gefaxte

Karikatur

nen Mark jährlich würde dies bedeuten.

Wenig Aussicht auf Erfolg dürfte dagegen die Bremer Klage auf Erhöhung der „Einwohnerwertung“ von bisher 135 auf 163 Prozent haben. Mit diesem Satz wird die Bremer Einwohnerzahl im Finanzausgleich multipliziert, um die besondere Funktion des Oberzentrums für das niedersächsische Umland abzugelten. Die volle Umsetzung der Bremer Forderung würde 450 Millionen Mark mehr im Jahr in die Landeskasse bringen. Doch in diesem Bereich hatte Bremen schon bei seiner ersten Klage in Karlsruhe auf Granit gebissen.

Und auch für die Bremer Forderung nach einer Erhöhung der Vergütung für die besonderen „Hafenlasten“ von bisher 90 auf 160 Millionen Mark jährlich sieht es nicht besonders gut aus. Der heutige Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) hatte bereits nach der mündlichen Verhandlung im Oktober 1991 in Karlsruhe die „schwache Position“ Bremens in dieser Frage moniert. Nachdem Bürgermeister Klaus Wedemeier

damals bereits nach der Hälfte der Verhandlungszeit nach Bremen zurückgefahren war, um sich einer Diskussion im SPD-Unterbezirk Ost zu stellen, wurden die Argumente in Sachen Hafenlasten nur von Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau vorgetragen.

Ohne einen Erfolg in Karlsruhe und einen anschließenden Verhandlungserfolg bei der finanziellen Umsetzung der Gerichtsentscheidung steht die Selbständigkeit Bremens spätestens 1994 zur Disposition. Denn dann kann das kleinste Bundesland aus eigener Kraft angesichts seiner rasch wachsenden Zinslast die Vorschrift des Grundgesetzes nicht mehr einhalten, nach der die Nettokreditaufnahme die staatlichen Neuinvestitionen nicht übersteigen darf.

Schon im laufenden Doppelhaushalt läßt sich die Neuverschuldung nur durch drastische pauschale Sparmaßnahmen (58,3 Millionen Mark 1992 und 170,1 Millionen 1993) gerade noch auf dem Niveau der investiven Ausgaben halten. Ase