Hauptsache Neugier

■ Der Ägypter Sayed Balaha und sein multikulturelles Trommelprojekt

Sayed Balaha lebt hier seit drei Jahren. Mit seinem freundlichen runden Gesicht, den nicht mehr ganz schwarzen Locken und der legeren Jeansjacke über dem weißen T-Shirt hat er herzlich wenig von einem arabischem Patriarchen. Bereitwillig überläßt er die Gesprächsführung seiner deutschen Frau Silva, die mit weiblicher Souveränität liebevoll aber bestimmt an seiner Karriere in Deutschland bastelt.

Für Sayed, den Tablaspieler, war der Berufswunsch nie eine Frage. Seine ganze Leidenschaft galt schon immer den arabischen Rhythmen. Als er als Sechsjähriger seine ersten Versuche mit Stock und Trommel wagte, wurde das ägyptische Radio auf ihn aufmerksam und widmete dem jungen Talent eine Sendung. Trotzdem mußte sich Sayed seine Virtuosität gegen den Widerstand der Eltern hart erarbeiten. Immerhin war seine schulische Karriere in Gefahr. Also nutzte er die Dunkelheit der Nacht, um auf Dorfhochzeiten zu schleichen und mit unablässig auf die flinken Finger der alten Meister geheftetem Blick das Geheimnis arabischer Rhythmen zu lösen.

In Ägypten ist solche Kultur Volkskunst und fast ausschließlich auf der Straße zu erlernen. Entsprechend ist die gesellschaftliche Bewertung sehr niedrig. Speziell die für den Trommler unumgängliche Zusammenarbeit mit leichtgeschürzten Tänzerinnen gilt als anstößig.

Wenn Sayed von den Anfängen seiner Musikerlaufbahn erzählt, geht ein Leuchten durch sein Gesicht, das ansteckend ist. Söhne und Töchter aus gutem Hause, die in den Konservatorien ihr Pflichtprogramm auf der Geige absolvieren, kommen im seltesten Fall soweit wie Sayed mit seinen Erfahrungen der Straße. Als Tablaspieler von Sisi Mustafa, der damaligen Nummer eins im Lande, zählt er bald zur ägyptischen Elite. Die einzige Chance, im orientalischen Raum sein Talent unter Beweis zu stellen, bieten die Nachtclubs der großen Hotels. Sayed zieht es nach San Francisco, wo er drei Jahre mit Farida Fahmy, der Startänzerin der Reda-Group, arbeitet. Einem Auftritt mit Nagua Fouad in der Frankfurter Jahrhunderhalle folgt ein Angebot vom Berliner Verein für Deutsch-Arabischen Kulturaustausch. Sayed wird als Lehrer für Tabla und Tanz eingestellt.

Inzwischen gibt er eigene Kurse im Statthaus Böcklerpark. Kürzlich hat er den Grundstein für ein neues Projekt gelegt: An ihren Rhythmen sollt ihr sie erkennen — die Taktgepflogenheiten anderer Völker sind das jüngste Steckenpferd des Musikers. Das Spiel von Fingern und Händen auf stramm gespannten Fellen gibt ungeahnten Einblick ins nationale Innenleben. Man denke an die Afrikaner, mit den treibenden Grooves zu den ekstatischen Solis, die Inder mit ihren schrägen Taktzahlen, oder die Japaner, die das Trommelziel nur als Gruppe erreichen. Unter dem Namen »World Drum Formation« will Sayed Balaha Trommler aller Herren Länder in einen Probenraum locken. Hehre Ziele von Völkerverständigung und erdballumschlingender Nächstenliebe sind dabei eher die Nebensache — das eigentliche Motor ist mal wieder der unstillbare Lerneifer des Autodidakten. Wilde Sambagrooves sind ihm dabei genauso lieb, wie ostasiatisches Meditationsgeklapper. Wer immer es mit grenzüberschreitenden Grooves zu einer gewissen Meisterschaft gebracht hat, ist willkommen.

Mögen fremde Rhythmen schwer erlernbar sein, sie sind weniger Mißverständnissen ausgesetzt als die multikulturellen Versuche, mit Hilfe der Sprache zu kommunizieren. Ein Babylon der Takte ist also kaum zu befürchten. Und Sayed hat sich ein großes Ziel gesetzt. Natürlich ist ein Konzert geplant, noch besser wäre, findet er, eine Welttournee in all die Heimatländer der beteiligten Musiker. Jantje Hannover

World Drum Formation , mittwochs 20.30 bis 23 Uhr im Statthaus Böcklerpark