Das Kapital für Fortgeschrittene

■ Laibach auf Tournee

Zwischen einem Hirschgeweih und einem „Dom“ aus weißem Scheinwerferlicht schlagen zwei Musiker mit regungslosen Mienen auf ihre Trommeln ein. Der Sänger trägt Khaki und schwere Stiefel und beschwört in Formeln einen Traum von Fleisch und Blut, von Rasse und wahrem Glauben — auf deutsch. Mit derartig inszenierten Konzerten hat sich die Gruppe Laibach international den Vorwurf eingehandelt, faschistisch zu sein oder doch zumindest fahrlässiges Spiel mit faschistischer Ästhetik zu treiben.

In ihrer Heimat, dem ehemaligen Jugoslawien, waren Laibach vorübergehend verboten. Während liberale Intellektuelle Laibach in Schutz nahmen, sahen vor allem ehemalige Partisanen ihren Widerstand gegen die Nationalsozialisten diskreditiert, weil sich die Band nach dem deutschen Namen der slowenischen Hauptstadt Ljubljana benannt hatte. Mißliebig waren Laibach auch, weil sie die Ikonen des Stalinismus mit denen des Dritten Reiches in Verbindung brachten und Manifeste entwarfen, die totalitäre Ideologien zu übertreffen versuchten.

Musikalisch setzten Laibach ihre Programme in holprigen Marschgesängen und bombastischen Rhythmen um, deren Wurzeln irgendwo in Industrial und Punk zu suchen waren. Doch während sich das britische Pendant, Test Department, unmißverständlich gegen die Tories stellte und zwischen Trommelschlägen die Forderungen der streikenden Miners erklingen ließ, blieben Laibach die Antwort auf die Frage nach ihrem politischen Standort schuldig. Im Gegenteil, sie sorgten für weitere Irritation. Mit der Künstlergruppe Irwin und dem Theater Rdeci Pilot gründeten sie die „Neue Slowenische Kunst“ (NSK), einen streng hierarchisch organisierten Verband, der sich zum Ziel gesetzt hatte, den Geschmack, die „Urteile und Überzeugungen des Individuums“ zu bekämpfen.

Ihre Musik, der scheinbar krude theoretische Überbau und der Ruch des Verbotenen handelten der Gruppe nicht nur in Jugoslawien den Status einer Kultband ein. Aber Laibach zeigten auch, daß es ihnen mit der hohen Kunst ernst ist. Sie schrieben die Musik für eine Produktion des jugoslawischen Nationaltheaters und für den britischen Tänzer Michael Clarke und spielten 1987 am Hamburger Schauspielhaus zu Wilfried Minks Macbeth-Inszenierung auf. Bevor sie dann zu einer Neuinterpretation des Beatles-Albums Let it be schritten, verzierten Laibach noch ihre Platte Opus Dei mit Äxten, die zu einem Hakenkreuz angeordnet waren. Opus Dei enthielt neben der Coverversion von Life is Life Queens One Vision, das in der deutschen Übersetzung unter dem Titel Geburt einer Nation als Traum von Fleisch und Blut enttarnt wurde.

Jetzt haben Laibach eine Platte veröffentlicht, die den Anhängern ihrer soldatischen Männergesänge schlicht suspekt sein muß. Kapital ist ein elektronisches Lexikon gegenwärtiger Kulturen, eine einzige Ansammlung gesampelter Zitate: Neben einer Nachrichtenmeldung zu den Tarifforderungen der IG Medien finden sich Fußballchöre und slowenische Volkslieder, neben Erzählungen im HipHop-Takt alte Schlager und Ausschnitte aus Arien. Zusammengehalten wird diese Mixtur von Computerklängen und Fanfarenstößen von der Thematik der Stücke, die so programmatische Titel wie Everlasting in Union, Wirtschaft ist tot und Steel Trust tragen, vor allem aber von ebenso eiligen wie monotonen Rhythmen aus der Box, die eine Nähe zu Electronic Body Music und ganz aktueller Tanzmusik gar nicht verleugnen sollen. Für die Disco taugen sie trotzdem nicht. Zu leicht, zu spielerisch reihen sich die Takte aneinander und werden zerstört, sobald man sich an die jeweilige Variation gewöhnt hat. Nicht zuletzt liegt über dem gesamten Konglomerat eine Melancholie, die Laibach hier und da zu einer Melodramatik steigern, wie sie kein Schmachtfetzen aus Hollywood gefühlsduseliger hinbekommen hätte. Claudia Wahjudi

Laibach: Kapital. Intercord. LP 177800, MC 477800, CD 187800

27.5. Berlin, 28.5. Hamburg, 29.5 Düsseldorf, 31.5. Frankfurt, 1.6. München, 5.6. Gent, 6.6. Bern