GASTKOMMENTAR
: Kriegsbeil begraben?

■ Zweifel an der Versöhnung zwischen den afghanischen Führern Hekmatyar und Masud

Kriegsbeil begraben? Zweifel an der Versöhnung zwischen den afghanischen Führern Hekmatyar und Masud

Noch vor zwei Tagen sprachen die Meldungen von erneuten Kämpfen in Kabul. Jetzt heißt es, die beiden Erzrivalen Ahmad Shah Masud und Gulbuddin Hekmatyar hätten dank Vermittlung eines Schlichtungsrats ihr Kriegsbeil begraben — Agenturworte in Allahs Ohr. Wie verlautet, wurden der Abzug der „gegnerischen Gruppen“ aus der afghanischen Hauptstadt und die Abhaltung allgemeiner Wahlen in sechs Monaten vereinbart.

Ob dies alles stimmt, daran sei Zweifel angebracht. Denn erfahrungsgemäß enthalten die Informationen, die aus dem Hindukusch westliche Städte erreichen, eine Menge Irritationen. Trotz alledem ist eine vorläufige Versöhnung zwischen den heiligen Kriegern Afghanistans nicht unwahrscheinlich: Hekmatyars Raketen auf Kabul sind in den vergangenen Wochen mehr als 50 Zivilisten, meist Frauen und Kinder, zum Opfer gefallen. Das vergossene Blut der Muslime kann der paschtunische Eiferer Hekmatyar weder mit Koranversen noch mit Episoden aus der Prophetenvita rechtfertigen. Mit jeder steigenden Rakete wird seine Glaubwürdigkeit beim Volke sinken. Ebenso ist der tadschikische Feldherr Ahmad Shah Masud in Zugzwang. Seine Verbündeten, die von General Raschiduddin Dostam geführten usbekischen Milizionäre, gelten bei der Bevölkerung einfach als „Kommunisten“ und „Russen“. Selbst der Mehrheit der Mudschaheddin sind die rabiaten Usbeken ein Dorn im Auge.

Überdies möchten die meisten Männer in dem neunköpfigen Führungsrat, dem höchsten Organ der neuen Macht, sich lieber mit dem fundamentalistischen Alleingänger Hekmatyar ins Benehmen setzen als mit General Dostam, einst eiserne Faust Nadschibullahs gegen die moslemischen Rebellen. Doch die „Teppichräuber“, wie die Dostam-Anhänger genannt werden, sind weit besser ausgerüstet als die Mudschaheddin. Sie fühlen sich als eigentliche Befreier Kabuls. Sie aus der Stadt zu verjagen dürfte nicht leicht sein. Hinzu kommt, daß für die ethnischen Minderheiten Afghanistans neben Masud General Dostam Schild und Schwert gegen die paschtunische Vormacht stellt.

Noch schwieriger als die Handhabung der Teppichräuber dürfte die Abhaltung der Wahlen in dem mittelasiatischen Bergland sein. Wie der Urnengang in einem Lande, wo es kaum demokratische Traditionen gibt und zwei Drittel der Bevölkerung sich außerhalb des Staatenterritoriums in pakistanischen und iranischen Flüchtlingslagern befinden, vor sich gehen soll, ist mehr als rätselhaft. Der Frieden wird in Afghanistan nicht von Dauer sein. Doch nicht aus irrationalem Haß wie in den bosnischen Dörfern, sondern aus Liebe zur Waffe. Ahmad Taheri

Freier Publizist, in Frankfurt lebend, zur Zeit unterwegs in Afghanistan