Sachsen sieht sich in bester Verfassung

Das Parlament des ostdeutschen Freistaats will heute seine neue Landesverfassung verabschieden  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Der sächsische Landtagspräsident Erich Illtgen (CDU) wird heute auf einer Festsitzung des Parlaments die Verfassung des Freistaates unterzeichnen. Damit ist Sachsen das erste neue Bundesland mit einer eigenen Verfassung. In Brandenburg, wo ebenfalls die Verfassung schon formuliert ist, muß Ende Juni noch in einem Volksentscheid darüber abgestimmt werden.

Umstritten war in Sachsen bis zuletzt die Form der Verabschiedung. Obwohl die Parlamentsmehrheit längst beschlossen hatte, sich selbst die Ehre zu geben, legte die „Initiative für ein demokratisch verfaßtes Sachsen“ während der abschließenden Lesung des Entwurfes 47.000 Unterschriften für einen Volksentscheid über die Verfassung vor. „Zu spät“, sprach der Präsident. CDU- Fraktionsvorsitzender Herbert Goliasch feierte das nach zweijährigem, zähem Ringen endlich vorliegende Kompromißwerk euphorisch als „modernste und zeitgemäßeste Landesverfassung“ in Deutschland. Mit der Aufnahme des Schutzes der natürlichen Lebensbedingungen als Staatsziel und des Rechtes auf einen wirksamen Datenschutz gehe sie bereits über den Standard des Grundgesetzes hinaus. Anerkannte Naturschutzverbände erhalten Klagebefugnis in Umweltbelangen. Ein Erfolg von Bündnis90/Grüne, die sich auch für die Aufnahme der Volksgesetzgebung engagierten. Nun sind 40.000 Unterschriften nötig, um einen Volksantrag in den Landtag einzubringen.

Cornelia Matzke (Bündnis90/ Grüne) dämpfte den Jubel um die erste ostdeutsche Länderverfassung. Auf die „am Horizont leuchtenden“ Staatsziele anspielend, warf sie der CDU vor, schon jetzt gegen die Verfassung zu verstoßen, „die sie Kraft ihrer Mehrheit maßgeblich bestimmt.“ Als „konservativen Pferdefuß“ bezeichnete sie den mehrfach formulierten Schutz vor „sittlicher Gefährdung“. Dahinter verstecke sich „eine Vorverurteilung all dessen, was anders, fremd, nicht mehrheitsfähig“ sei.

Von einer Verfassung mit „konservativem Charakter und bemerkenswerten Durchbrüchen“ hat Karl-Heinz Kunckel (SPD) bereits im Vorfeld der Debatte gesprochen. Zurückgesteckt haben die Sozis, so deren Fraktionsvorsitzender, bei Mitbestimmungsrechten der BürgerInnen, Rechten des Parlaments gegenüber der Regierung und beim Volksentscheid. Die Beteiligung ausländischer MitbürgerInnen an der Willensbildung hätte geregelt werden müssen; trotzdem würde die SPD „ohne Vorbehalte und mit Stolz auf das Durchgesetzte“ zustimmen.

Mit 27 Änderungsanträgen trat die Fraktion Linke Liste/PDS an. Deren Chef Klaus Bartl erinnerte daran, daß noch vor einem Jahr, „als die Bevölkerung für acht Wochen die Chance erhielt, einen Zwischenbescheid zu ihrer künftigen Verfassung zur Kenntnis zu nehmen“, zwischen CDU und Opposition Dissens in über 100 Punkten bestand.

Seine Fraktion könne dem Entwurf nicht zustimmen. Begründend führte Bartl an, daß in der Präambel mit der Gleichsetzung von nationalsozialistischer und kommunistischer Diktatur Geschichtsfälschung betrieben werde. Zudem wolle die Fraktion das Recht auf Arbeit und Arbeitsförderung als einklagbares soziales Grundrecht festgehalten wissen.

Die FDP begnügt sich mit einem Änderungsantrag. Sie will die „soziale Marktwirtschaft“ als Staatsziel verankert sehen.