NEU IM KINO: „Edward II“ Die Liebe und der Pfahl

In den Königsdramen des elisabethanischen Theaters regieren nicht die Monarchen sondern die Leidenschaften. Shakespeares Zeitgenosse und Freund Christopher Marlowe erzählt in „Edward II“ von dem jungen König, der sein Reich und letzlich sein Leben für den Geliebten Gaveston opfert — eine der ersten homosexuellen Liebesgeschichten der abendländischen Literatur.

„Wie man einen Film über eine schwule Liebesaffäre macht und das Geld dafür bewilligt bekommt: Finde ein verstaubtes altes Theaterstück und vergehe dich an ihm. Fuck poetry.“ So ganz nimmt man Derek Jarman diese respektlose Attitüde nicht ab, denn sein Film schwelgt durchaus in der schönen, leidenschaftlichen Sprache Marlowes. Und die kahlen Dekorationen, in denen die Schauspieler oft wirken, als seien sie in Gemälden gefangen, harmonieren mit dem Grundton von Marlowes Tragödie.

Alles ist auf das Wesentliche reduziert. In dieser streng artifiziellen Bilderwelt wirken die für Jarman typischen Anachronismen so provokativ, erhellend und schön wie in den besten Szenen seiner früheren Filme: Wenn Edward und Gaveston sich trennen, finden wir uns plötzlich in einem Musikvideo mit Annie Lennox, die Cole Porters „Every time we say good-bye“ singt. Der militante Gegenspieler des Königs Mortimer trägt die Uniform der britischen Armee, und die Einkerkerung Edwards wird mit Bildern von schlagstockschwingenden Polizisten bei einer Demonstrationen für die Rechte der Schwulen kommentiert.

Jarman ist seit vier Jahren mit Aids infiziert. Schon seinen beiden vorhergehenden Filme mußte man für „letzte Werke“ halten. Dabei wird er aber immer noch kompromißloser und risikofreudiger. In Edward II. geht er an die Grenzen dessen, was im englischen Kino möglich ist. „Schauen sie nur die Szene der Ermordung an: Edward wird getötet, indem man ihm einen glühenden eisernen Pfahl in den Hintern zwängt. Wie wirkt so was auf der Leinwand? Aber die BBC steckt eine halbe Million in das Projekt.“

Jarmans Wut über das konservative England und Marlowes düstere Freude am Brechen der Tabus verbinden sich in „Edward II“ zu einer erschreckend schönen Einheit. Wilfried Hippen

tägl. im Cinema um 20.45 Uhr