Räumung ohne Anlaß

■ Kampfuniformierte Polizisten stürmten gesperrtes Tacheles-Gebäude, obwohl niemand im Hause war

Mitte. Einen Schildbürgerstreich leistete sich am Mittwoch die Polizei gegenüber den BewohnerInnen des Kulturzentrums Tacheles. Rund 80 Beamte in Kampfuniform sperrten die Oranienburger Straße für Autos, Straßenbahn und Passanten 40 Minuten lang ab, um zwei Tacheles-Häuser zu räumen, in denen sich niemand aufhielt. Die Gebäude waren am Montag nach einem Brand baupolizeilich gesperrt worden (die taz berichtete).

Zu der überflüssigen Polizeiaktion führte eine offensichtliche Übertreibung des privaten Wachdienstes, der das Tacheles seit dem Brand rund um die Uhr bewacht. Er meldete gegen 17.30 Uhr, daß sich in den Häusern »ungefähr 20 Personen aus dem linken Spektrum verbarrikadiert« hätten, so Einsatzleiter Olaf Karras. Tatsächlich hatte ein Bewohner seine Badewanne aus dem unverschlossenen Gebäude geholt, um sie bei seiner Freundin aufzustellen.

»Wir haben kein Interesse, die Häuser gewaltsam zurückzuerobern«, sagte Jochen Sandig vom Tacheles-Verein. Die meisten Bewohner hätten sich vorerst damit abgefunden, in Zelten des Roten Kreuzes auf dem Hinterhof zu leben. Mit Einsatzleiter Karras handelte Sandig aus, daß in den Gebäuden verbliebene Gegenstände am Montag geholt werden dürfen.

Als »völlig übertrieben« wertete Christian Pulz, jugendpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne, den Einsatz: »Das gleiche Ergebnis hätte man mit einem zivilen Verhandler des Bezirksamtes erreichen können«, so Pulz. Außerdem befürchtet Pulz, daß weitere überzogene Polizeieinsätze zu einer Eskalation im Tacheles führen könnten. Eine »klare Provokation« vermutet Tacheles-Sprecher Jochen Sandig: »Es gibt offensichtlich Leute, die uns hier mit allen Mitteln vertreiben wollen.« Micha Schulze