GASTKOMMENTAR
: Taschenspielertrick

■ Die Bundesregierung und die EG stehlen sich aus der klimapolitischen Verantwortung

Die EG-Klimaschutzpolitik wird zu einem Tummelplatz der Gaukler und Possenreißer. Die Gemeinschaft der Zwölf soll, so schlug die EG-Kommission vor, eine kombinierte Energiesteuer einführen — aber nur, wenn die USA und Japan zu ähnlichen Schritten bereit sind. Der EG-Umweltministerrat konnte sich nicht einmal auf diesen windelweichen Kompromißvorschlag einigen. Die EG fährt nun mit leeren Händen nach Rio. Auf einen eigenständigen Beitrag der EG gegen Klimakollaps und Treibhauseffekt werden Europas BürgerInnen nun bis zum St.Nimmerleinstag warten können.

Die reale Klimagefahr und der Greenhouse- Effect werden schöngeredet und müssen einem „White-House-Effect“ weichen: Die EG-Umweltpolitik wird künftig nicht mehr in Brüssel, sondern in Washington und Tokio beschlossen. Das Demokratiedefizit der EG gewinnt hiermit eine neue Qualität. Die EG will ihr eigenes Nichtstun hinter dem Verhalten anderer Umweltsünder aus den Reihen der OECD verstecken. Nichts illustriert den Geist dieses umweltpolitischen Zynismus besser, als dieser windige Taschenspielertrick. Denn die USA sind nicht einmal zu klaren Festlegungen für eine CO2-Stabilisierungspolitik zu gewinnen — geschweige denn für weltweite Energiesteuern. Für eine EG-Klimasteuer schaffte der Umweltministerrat so ein Begräbnis fünfter Klasse.

Auch sonst offeriert Brüssel nur eine Mogelpackung: die Modulation der Energiesteuer bevorzugt die Atomkraft, der Steuersatz ist umweltpolitisch kaum wirksam, für energieintensive Branchen gibt es großzügige Ausnahmeregelungen. Die Mehrbelastung durch die Klimasteuer soll durch Steuersenkungen an anderer Stelle ausgeglichen werden. So wie der Vorschlag jetzt steht, wäre die erste EG-Ökosteuer höchst unwirksam. Deshalb darf die EG vor Rio erst recht nicht aus der klimapolitischen Verantwortung entlassen werden.

Auch Bundesumweltminister Klaus Töpfer vergießt manche Krokodilsträne über das „enttäuschende“ Ergebnis auf EG-Ebene. Doch wo bleibt die Konsequenz? Der groß angekündigte „deutsche Alleingang“ zur CO2-Reduktion um 30 Prozent ist längst ein Treppenwitz der Geschichte. Auch jetzt legt Bonn nur die Hände in den Schoß. „Leistung muß sich wieder lohnen“? Wenn es nach diesem selbstgesteckten Motto der Koalition ginge, müßte das Umweltministerium auf Waigels Streichungsliste ganz oben stehen. Hiltrud Breyer

Hiltrud Breyer ist Mitglied des Europäischen Parlaments und dort für die Grünen im Ausschuß Energie, Forschung und Technologie