Nürnbergs Jugendzentrum in Gefahr

Polizei sprengte KOMM-Vorbereitungstreffen gegen den Münchner Weltwirtschaftsgipfel  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Die Fassade strahlt zwar noch in unschuldigem Weiß, doch dunkle Wolken brauen sich über einem der bekanntesten deutschen Jugendzentren, dem Nürnberger Kommunikationszentrum (KOMM), zusammen. Am Mittwoch abend manifestierten Spezialkommandos der bayerischen Polizei, daß sie das KOMM im Visier haben. Sie sprengten eine Mobilisierungsversammlung von Gegnern des Anfang Juli in München stattfindenden Weltwirtschaftsgipfels (WWG). Gleichzeitig wurde ein internes Papier der Nürnberger Kulturreferentin Karla Fohrbeck bekannt, wonach das KOMM von dessen exponierten Standort direkt gegenüber vom Hauptbahnhof verschwinden müsse. Schon im März hatte das bayerische Innenministerium eine breite Kampagne gegen das KOMM gestartet. Demnach gehe von hier angeblich ein „nicht zu unterschätzendes Gewaltpotential“ gegen das Gipfeltreffen aus. Bayerns Innenminister Stoiber kündigte an, alle Vorbereitungsveranstaltungen des autonomen Spektrums würden polizeilich überwacht werden. Bereits zweimal erzwangen Beamte ihren Zutritt zu derartigen Treffen mit Gewalt und lösten diese auf. Als sich jetzt in Nürnberg etwa 50 Besucher einer vom „Anti-WWG-Plenum“ veranstalteten Versammlung weigerten, drei Polizeibeamten Zutritt zu gewähren, stürmten Sondereinsatzkommandos ins KOMM. Die Besucher kamen einer gewaltsamen Räumung zuvor und zogen in einer Spontandemonstration durch die Nürnberger Innenstadt.

Zwar ist Nürnbergs Rechtsreferent Frommer (SPD) davon überzeugt, daß die Polizei an diesem Abend „ausschließlich den WWG“ im Blickfeld gehabt hat. Die Stimmungsmache gegen das selbstverwaltete Jugendzentrum liefert aber Teilen der Stadtverwaltung die Munition, um an dessen Existenzberechtigung zu kratzen. Allen voran Nürnbergs parteilose Kulturreferentin Karla Fohrbeck. Sie fordert in einem in der jüngsten Ausgabe des Stadtmagazins 'Plärrer‘ veröffentlichten Papier, im Hinblick auf Nürnbergs Bestrebungen, im Jahr 2000 Kulturhauptstadt Europas zu werden, müsse auf eine anderweitige Nutzung des Hauses hingearbeitet werden.

Nürnbergs SPD-Oberbürgermeister Peter Schönlein beeilte sich daraufhin, festzustellen, daß das KOMM für Nürnberg ein „unverzichtbarer soziokultureller Bestandteil“ sei. Doch KOMM-Leiter Wolfgang Kischka ist überzeugt davon, daß Karla Fohrbeck ihr internes Papier nicht ohne Rückendeckung verfaßt hat. In den letzten Wochen wären auch aus Kreisen von SPD und Grünen sehr kritische Töne über die „politische Unbotmäßigkeit“ einiger KOMM-Gruppen zu hören gewesen.