: Bremen rechnet mit 535 Millionen Mark
■ Wedemeier nach Karlsruher Urteil: Keine neuen Ausgaben / Entschuldung hat Vorrang
Finanzsenator Volker Kröning wird sich in den nächsten Wochen mit seinem Bonner Kollegen Theo Waigel treffen. Bürgermeister Klaus Wedemeier bemüht sich um einen Termin mit Bundeskanzler Halmut Kohl. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Bonner und Bremer Finanzbehörden wird gegründet, die wesentliche Eckdaten eines Sanierungsprogrammes festlegen wird: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Länderfinanzausgleich, steht die Bremer Landespolitik fortan unter einem Bonner Finanzvorbehalt. Und Bürgermeister Klaus Wedemeier ist damit einverstanden: „Ein solches Programm wird Bedingungen für uns enthalten. Das geht hin bis zu Sanktionen, und ich finde das auch nicht falsch“, meinte Wedemeier am Freitag auf einer Pressekonferenz zum Karlsruher Urteil. Zwar werde der Rahmen der Bremer Politik künftig von Bonn vorgegegben, „aber innerhalb dieses Rahmens bleibt ein Gestaltungsspielraum.“
„Extreme Haushaltsnotlage“, heißt ein Schlüsselwort des Karlsruher Urteils. Und angesichts des Umfangs der Haushaltsnot versagen nach Ansicht der Richter die normalen Mittel des Finanzausgleichs. „Der Umfang der Mittel, die für das Saarland und Bremen als angemessene Hilfe zur Überwindung ihrer Haushaltsnotlage erforderlich wären, würde den Rahmen, der den Bundesergänzungszuweisungen nach ihrer ergänzenden Funktion als letztes Glied des bundesstaatlichen Finanzausgleichs gezogen ist, eindeutig sprengen“, heißt es in dem Urteil.
Mit Bundesergänzungszuweisungen als Hilfe zur Selbsthilfe ist es deshalb nach Ansicht der Richter nicht getan. Die beiden kleinsten Bundesländer brauchen ein Extraprogramm, dessen Finanzvolumen das BVG schon grob vorgerechnet hat. „Für den notwendigen Ersatz der üblichen Nettokreditaufnahme und die stufenweise Entschuldung entstünde ein Finanzbedarf, der für das Saarland von 1992 bis 1996 von knapp 1 Mrd. DM auf über 2,5 Mrd. DM im Jahr, für Bremen von etwa 1,4 Mrd. DM auf 2 Mrd. DM im Jahr ansteigen würde. Die Gesamtlast für eine solche Haushaltsstabilisierung würde für das Saarland 6 Mrd. DM, für Bremen über 8,5 Mrd. DM betragen.
Dem Bund und den anderen Ländern wird es kaum möglich sein, sich diesem vom Verfassungsgericht vorgegebenen Sanierungsauftrag zu entziehen. „Im Fall der extremen Haushaltsnotlage eines Landes ist das bundesstaatliche Prinzip als solches berührt. Aus ihm erwächst den anderen Gliedern der bundesstaatlichen Gemeinschaft die Pflicht, mit konzeptionell aufeinander abgestimmten Maßnahmen dem betroffenen Land beizustehen“, heißt es in dem Urteil.
Auch über ein denkbares Sanierungskonzept haben sich die Richter Gedanken gemacht. Investitionshilfen für die finanzschwachen Länder, Standortentscheidungen über den Sitz von Behörden, die Förderung regionaler Wirtschaftstruktur und Vorgaben bezüglich der Haushaltsführung werden angeregt. Reicht all dieses nicht aus, ist für die Verfassungsrichter auch eine Neugliederung des Bundesgebietes in leistungsstarke Bundesländer nicht tabu.
Ganz konkret wird das Urteil aber nur, wenn es um die Gleichbehandlung Bremens mit dem Saarland und die sogennanten Kosten der „politischen Führung“ geht. In diesen Punkten ist Bremen trotz des ersten Urteils des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 1986 schlechter gestellt worden. Deshalb können die Bremer mit einer Nachzahlung von 535 Millionen Mark für den Zeitraum von 1987 bis 1991 rechnen. Was mit diesem Geld gemacht wird, steht für Wedemeier und den Ampelsenat zweifelsfrei fest. „Wir haben am Donnerstag das Urteil im Senat zwei Stunden beraten und uns in der Gesamtheit darauf festgelegt, das Geld zur Sanierung zu verwenden“, meinte der Bürgermeister und widersprach damit indirekt dem SPD-Parteivorsitzenden Horst Isola, der in einer ersten Reaktion angeregt hatte, einen Teil des Geldes zu benutzen, um besondere Härten des Bremer Sparkurses zu mildern. Wedemeier dagegen: „Wir brauchen keine Diskussion über Verteilung, weil es nichts zu verteilen gibt.“ Bremen müsse Bonn und den anderen Ländern ein klares Signal geben. „Das kann zurecht von uns erwartet werden.“
Parallel zur Bonn-Bremer Finanzarbeitsgruppe soll sich unter Wedemeiers Federführung eine Arbeitsgruppe mit der Verbesserung der Wirtschaftsstruktur im Unterweserraum beschäftigen. Thema dabei wird auch sein, ob Bremen und Niedersachsen es sich weiterhin leisten können, einen kostenintensiven Wettbewerb mit ihren Häfen zu führen. „Meine Utopie“ nannte Wedemeier in diesem Zusammenhang eine „gemeinsame Hafengesellschaft von Bremen und Niedersachsen“.
„Nicht Konsolidierung, sondern Sanierung“, überschrieb Finanzsenator Volker Kröning das neue Ziel bremeischer Haushaltspolitik. Das Urtei des Bundesverfassungsgerichtes sei ein „Appell zur finanzwirtschaftlichen Revitalisierung des Föderalismus“ und „eine „einmalige Chance, die wir nicht vorübergehen lassen dürfen.“
Für die BremerInnen heißt dies Urtei aber auch, daß die mageren Jahre gerade erst begonnen haben. „Über lange Jahre“ so Wedemeier, müsse das Sparprogramm durchgehalten werden. Der Senat „bittet“ denn auch „alle Bürgerinnen und Bürger und die Bremeische Bürgerschaft, ihn bei seinen Bemühungen gegenüber dem Bundesgesetzgeber zu unterstützen, die durch das Urteil eröffnete Chance zu nutzen.“ Holger Bruns-Kösters
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