KOMMENTAR
: Geiselgangster Bush

■ Der amerikanische Präsident will die Konvention zur Artenvielfalt nicht unterzeichnen

Geiselgangster Bush Der amerikanische Präsident will die Konvention zur Artenvielfalt nicht unterzeichnen

Das Drehbuch könnte aus einem Hollywoodfilm stammen. Zwei Jahre lang verhandeln Delegationen aus über hundert Ländern für internationale Umweltabkommen über den Schutz des Klimas und der Artenvielfalt. Doch dann ist US-Wahlkampf-Showdown. Der Öl- und Bombenpräsident George Bush packt den Revolver auf den Tisch, streicht mit dem Zeigefinger über den Abzug und bescheidet dem Rest der Welt knapp, er werde für den Schutz des Klimas und der vielleicht achtzig Millionen Arten auf diesem Planeten nichts tun, was der amerikanischen Wirtschaft schaden könnte. Keine(r) verläßt den Saal! Artenschutz kann auch auf dem Welt-Umweltgipfel in Rio nur dann sein, wenn amerikanische Pharma- und Chemiekonzerne daran verdienen.

Der Vertrag des US-Pharma-Giganten Merck mit Costa Rica kann als Beispiel für die schöne neue Weltordnung des George Bush dienen. Merck darf für eine Million Dollar die genetischen Ressourcen Costa Ricas screenen. Kommt dabei ein Produkt heraus, das Geld abwirft, wird Costa Rica generöserweise an den Gewinnen aus dem Patent beteiligt. Technik und Herrschaft aber bleiben im Norden.

Das Beispiel Merck zeigt auch: Die Pharmagiganten haben den erschreckenden Verlust an Artenvielfalt erkannt und sich ihre Strategie zurechtgelegt. Wenn jede Stunde Arten aussterben und renommierte Biologen den Verlust von 10 bis 20 Prozent der Millionen von Arten auf diesem Planeten binnen 25 Jahre befürchten, ist der Versuch, sich Genressourcen auf diese Art zu sichern, betriebswirtschaftlich vernünftig. Die Biotechnologen können noch so gern Tierchen klonen, bei den Verlustraten kommen sie nicht mit.

Genau dieses Wirtschaftsinteresse lag den erstaunlichen Verhandlungsfortschritten für die UN- Artenschutz-Konvention zugrunde. Noch in der vergangenen Woche hieß es ja auch, daß die annähernd hundert zur letzten Verhandlungsrunde über den Artenschutz in Nairobi versammelten Staaten sich auf eine Konvention geeinigt hätten, die auf dem Gipfel in Rio unterzeichnet werden könne.

Ohne George Bush offensichtlich. Wie schon bei der Klimakonvention versuchen sich die prassenden Amerikaner als Geiselgangster an der Zukunft dieses Planeten. Tierarten dürfen solange nicht überleben, wie der Patentschutz für amerikanische Unternehmen nicht befriedigend geregelt ist. Gleichzeitig kritisieren die Amerikaner, daß ihre Verpflichtungen zum Technologietransfer nach dem Entwurf zu weit, die Artenschutz-Verpflichtungen für die Ländern der sogenannten Dritten Welt hingegen nicht weit genug gehen. Die Industrieländer sollen nach dem vorliegenden Entwurf die Gentechnologie zu Sonderkonditionen den Ländern zur Verfügung stellen, die die Genressourcen beherbergen. Außerdem würde der Konventionsentwurf den Ländern des Südens den Verzicht auf Artenschutz erlauben, wenn der Norden die dafür versprochenen Geldmittel nicht aufbringt. Den Norden zu eigenen Hausaufgaben verpflichten: das war zumindest den USA zuviel. Der Wirtschaftsimperialismus feiert als Öko-Imperialismus fröhliche Urstände.

Ein Gutes hat die Ankündigung von George Bush immerhin auch: jetzt haben die in Rio versammelten Politiker endlich eine Aufgabe. Es gilt zu beweisen, daß die Welt nicht der wilde Westen des George Bush ist. „Nur“ dreißig Länder müssen in Rio unterzeichnen und anschließend ratifizieren, damit die Artenschutzkonvention in Kraft treten kann. Jede(r) kann den Saal verlassen, egal was George Bush tut.

Bush hat kürzlich behauptet, die schlechten Entwürfe für die Klima- und Artenschutzkonvention hätten ihn lange davon abgehalten, sich für den Rio- Gipfel zu entscheiden. Jetzt wolle er aber kommen, um der Welt zu zeigen, wie der Planet gerettet wird: amerikanisch. Er sollte es sich überlegen. Noch kann er der Umwelt die Kerosinwolke seines Regierungsjumbos auf dem Weg nach Rio ersparen. Dann hätte wenigstens einmal auf diesem Gipfel die Vernunft gesiegt. Ami, stay home. Hermann-Josef Tenhagen