All Along The Drop-Tower

■ Fallturm-Arbeitstagung: 120 fallsüchtige Wissenschaftler aus aller Welt

Haben Sie je daran gedacht, geophysikalische Bewegungen zu simulieren, großräumig gar? Oder wollten Sie nicht auch schon immer mal wissen, wie sich das einzellige Pantoffeltier orientiert — nach dem Licht oder der Schwerkraft? Fragen über Fragen, die in vierkommasieben Sekunden im freien Fall beantwortet werden. Sie ahnen schon, es geht um den berühmten Bremer Fallturm an der Uni. In den kommenden Tagen wollen die 120 fallsüchtigen Wissenschaftler aus 20 Ländern in einem Workshop Ergebnisse von eineinhalb Jahren Grundlagenforschung austauschen.

Für die Forscher ist der Fallturm als „erdgebundenes Weltraumlabor“ eine außerordentlich attraktive Einrichtung neben der teuren Raumfahrt. „Bei der NASA müssen sie sechs bis acht Jahre warten“, erzählte Hans Rath vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie (ZARM) gestern bei einer Pressekonferenz in der Turmspitze. Wofür Millionen ausgegeben werden müßten, das kann im Bremer Luftraum mit einem Durchschnitts-Fallpreis von rund 5.000 Mark erforscht werden. Die Einstiegskosten in ein Gebiet der Grundlagenforschung seien mit 50.000 Mark niedrig.

Aber bei allem Lob: So ganz haben sich die Blütenträume aus der Gründungszeit nicht erfüllt. „Als es darum ging, die Experimente im Fall möglich zu machen, haben einige Wissenschaftler Wunderergebnisse versprochen“, erzählte Franz Rosenberger von der University of Alabama. „Das war unverantwortlich, und damit haben wir heute noch zu kämpfen.“

Die Industrie hält sich mit Aufträgen noch sehr zurück. Von den rund 300 Flügen im vergangenen Jahr waren 90 Prozent von in- und ausländischen Universitäten gebucht. Die verbleibenden zehn Prozent verteilten sich je zur Hälfte auf die deutsche und ausländische Industrie. Der Turm ist noch lange nicht ausgelastet. Franz Rosenberger: „Im Gegensatz zur japanischen Industrie ist die deutsche nicht bereit, langfristig in die Grundlagenforschung zu investieren. Dabei sind die Bedingungen in Bremen besonders günstig.“ Nirgendwo sonst sei ein Turm direkt an ein Forschungsinstitut angebunden, hebt Rosenberger seine KollegInnen in den Himmel. Ein in Japan neu entstandener Turm sei so weit von der nächsten Unversität entfernt, daß er kaum Konkurrenz zu den Bremern sein könne.

Durch den Workshop sollen sich die Vorteile des Bremer Turms international herumsprechen, hofft Rath. In den kommenden Tagen werden Ergebnisse vorgestellt, um irdische Prozesse besser verstehen und dadurch optimieren zu können. In der Schwerelosigkeit kann zum Beispiel die „Verdampfung von Brennstoff-Tröpfchen bei hohem Druck“ genau beobachtet werden. Bei der Grundlagenforschung stört die Gravitation. Was abseitig klingt, kann direkten Nutzen für den Bau von Dieselmotoren bringen. Und die Pantoffeltierchen? Orientieren die sich nun nach dem Licht oder nach der Schwerkraft? Wir verraten's schon vorab: sowohl als auch. J.G.