Kein Fäkalwort in dem Sinne

■ Dietmar Wischmeyer, ffn-Arschkrampe und Kleiner Tierfreund, über sein Wirken sowie ausgewählte Probleme der Urogenitalsprache

blonder Mann

mit Bärtchen

Wischmeyer ohne Helm und Kappe

Das ffn-Hörervolk rüstet zum Aufruhr. Sonntags sammelten sich schon wieder 300 Empörte mit Transparenten und Sprechchören vorm Sitz des Senders in Isernhagen. Für die kommenden Sonntage sind weitere Aktionen angekündigt: bis das „Frühstyxradio“ wieder ans Netz gehen darf. Programmdirektor Bartsch hatte die beliebte Sendung abgesetzt, insbesondere wegen der „Fäkalsprache“ (Bartsch) der beiden „Arschkrampen“ Kurt und Gürgen. Arschkrampe Kurt, bürgerlich Dietmar Wischmeyer (35), auch bekannt als „Der kleine Tierfreund“, wird seither als Schutzheiliger der norddeutschen Tiefebene verehrt. Leider hat Programmdirektor Bartsch ihm, wie überhaupt dem ganzen Sender, strengstens auferlegt, über dieses Thema zu schweigen. Die taz hatte aber doch noch einige Fragen.

taz: Ist dir noch immer die Zunge gebunden? Oder darfst du den Namen Bartsch schon wieder aussprechen?

Dietmar Wischmeyer: Bartsch? Nun, das ist ja kein Fäkalwort in dem Sinne.

Die Kundgebungen für dich reißen nicht mehr ab. Willst du den aufgebrachten Massen an dieser Stelle etwas zurufen?

Ich find das ganz toll, diese Hörerbindung! Passiert ja nicht oft, daß sich die Leute melden, ohne von Instituten gefragt zu sein.

Gehen schon Soli-Adressen ein? Hilfslieferungen? Knorr-Suppen?

Jeden Tag kommen Anrufe, Faxe ohne Ende. Und Kuchen! Auch Kotze kam schon, inner Klarsichtpackung, allerdings an Bartsch adressiert. Stank entsetzlich. Auch dafür möcht ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanken. Schon am Donnerstag in Hannover waren 800 Leute da, ebensoviele mußten wieder gehen, und die übrigen haben vier Stunden lang nur geschrien und getrommelt.

Und wie äußern sich sonst die Leute?

Vielleicht darf ich mal aus einem Fax zitieren: „Hör mal, Programmdirektor, du Müsli-Brägen, dir flexen wir gleich den Kopf weg. Wir wollen Kurt wiederhaben.“ Niemand versteht den Bartsch. Es gibt ja keinen vernünftigen Grund, nicht einmal das Profitinteresse. Wir hatten im „Frühstyxradio“ bis zu 500.000 Hörer jeden Sonntag.

Was steckt dann dahinter?

Das konservative Weltbild eigentlich ganz weniger Leute.

Bewegt sich was?

Ja. Es ist ein Schlichter eingesetzt worden zwischen Programmdirektor und Belegschaft. An sich schon historisch ein Unikum. Und die Comedy-Redaktion bietet einen Kompromiß an.

Welchen Kompromiß?

Nun, für uns ist es schon ein Zugeständnis, überhaupt weiterzuarbeiten unter diesem Menschen. Wir sind bereit, im Juli in der alten Form wieder zu starten und bis dahin aus unserm Archiv Beiträge zusammenzustellen. Die lassen wir dann von einem prominenten Paten moderieren.

Paten? Wer?

Wir werden natürlich Helge Schneider fragen, Leute vom „Schmidt's“-Theater, alle, deren Humor dem unsern ähnelt.

Ihr macht weiter wie bisher. Und was ist da der Kompromiß?

Der besteht darin, daß wir den Karren, den er in den Dreck gefahren hat, wieder rausziehen. Daß Bartsch als Begründung für seine Taten mal fallenließ: „Ach, ich war einfach sauer“, das ist uns dann doch zu wenig. Und daß er eine Liste der Wörter aufstellt, die nicht mehr ausgesprochen werden sollen, das ist auch eher ein Witz.

Eine Liste? Er hat wahrhaftig eine Liste aufgestellt?

Sogar in SAT 1 schon verlesen.

Welche Wörter drauf?

Schwanz. Möse. Fickgesicht. Dann haben die Fernsehleute ausgeblendet. Wörter, die wir übrigens zum Teil gar nicht benutzt haben. Aber davon abgesehen, das ist schon ein etwas schulbubenhaftes Verständnis von Rundfunk.

Was ist eigentlich eine „Fäkalsprache“?

Wenn ich das wüßte. Es heißt, da ginge es um irgendwelche koprophilen Sachen.

Um Gotteswillen. Koprophil?

Ja. Wenn man Scheiße gut findet. Griechisch, glaub ich. Kopros, der Arsch, oder so. Aber so gesehen machen wir kaum fäkale Sachen. Eher urogenital. Ich hab aber den Verdacht, daß Leute, die sich so gerne über „Fäkalsprache“ äußern, eine geheime Vorliebe dafür haben, so daß sie's ständig im Munde führen.

Ich hab mir grad noch mal „Göbels Solo“ auf deiner CD angehört...

Du gibst es dir aber auch wirklich.

Das hört sich volle zwei Minuten lang an, als würde eine läufige Katze Reißnägel kotzen.

(lacht) Is wahr?

Gab's sowas schon mal im Radio?

Meines Wissens noch nie. Göbels Solo ist aber auch noch nicht gesendet worden. Das ist schon ein bißchen hart, dieses Würgen, meine Güte, und wenn dann auch noch der Bronchialabstrich hoch

Dietmar Wischmeyer, hier als Günther der Treckerfahrer mit sei'm alten LanzFotos: Archiv (2), Heller

kommt...Aber auf den Nittinger Tagen der Neuen Musik hätte das niemanden geschockt.

Bartsch hat sich mal beklagt, daß in einem Hörspiel kleinen Kindern rostige Nägel in die Fingerkuppen getrieben worden sind, und daß das wohl zu weit ginge.

Ja, find ich auch. Wir haben Herrn Bartsch aber in aller Ruhe erklärt, daß bei uns im Studio nicht wirklich Kinder sitzen. Er müsse sich nicht sorgen. Wir tun ja nur so; es sind nur Worte, die wir gebrauchen: „Kinder“ und „rostige Nägel“. Er hat auch mal einen Filmtip von Kurt inkriminiert: „Kettensägen auf Immenhof“, wo also Heidi Brühl voll midde Keddnsäge inne Ponies rein... Und so. Alles nicht wahr, alles bloß als ob.

Du hast deinen Fans schon zahlreiche Kultfiguren geschenkt. Bist du selber auch schon eine? Bitten die Fans um Reliquien? Um Fußnägel?

Mich selber kennt kein Mensch. Aber den „Kleinen Tierfreund“ finden alle gut, von den kleinen Kindern, denen gefällt, daß da einer so komisch redet, bis hin zu alternden Studienräten, die sich wohlig zitiert fühlen dürfen. Die „Arschkrampen“ dagegen haben ein spezielles Publikum: erstens Jugendliche, die sich dort bei der Sprache bedienen, immer auf der Suche nach Neologismen; von ganzen Schulklassen kommen da Dankschreiben. Wer das mal analysiert, wird merken, daß die „Arschkrampen“, diese vermeintlichen Asozialen, einen rei

hierhin bitte das Foto

von dem Mann mit Kappe

vor seinem Trecker

cheren Wortschatz haben als ein Uniprofessor in seinem Alltag. Zweitens fahren kleine Kinder voll drauf ab, die tragen dann die „Is mir schlecht!“-T-Shirts und so; für die ist das 'ne Kultnummer, was oft auf ganze Familien abfärbt; drittens natürlich die Hype-Society, die Medienleute und so, die goutieren einen Humor, den's bisher noch nicht gab.

Nun reißt sich ja auch schon das Fernsehen um dich. Macht Erfolg kaputt?

Vom Fernsehen hab ich ja noch gar keine Ahnung. Aber jedenfalls ist das eine Perspektive in einer Zeit, wo sich die Radiostationen immer weniger trauen. Die „Arschkrampen“ könnten jederzeit im Fernsehen laufen, man könnte da kotzen und Tiere aufschneiden; wenn bei RTL plus die Zuschauerzahlen stimmen, dann geht das. Aber im Radio? Also wenn's bei ffn nicht geht, dann geht das nirgends mehr.

Ihr habt ja auch fürs „Spiegel-TV“ schon was gemacht. Wie ging das zu?

Stefan Aust hat angerufen, auch er ein Hörer vom Frühstyxradio. Und weil der „Spiegel“ die schöne Möglichkeit eines Sendeplatzes beim Berliner Programm FAB hat, können wir da jetzt ganz unangestrengt einstündige Geschichten machen, wir, das heißt Oliver Kalkofe und ich als die bei

Heute um 20 Uhr in der Schauburg: Wischmeyer als „Der kleine Tierfreund“

den „Arschkrampen“. Neulich hatten wir eine Stunde lang Heinrich Lummer, den emeritierten Berliner Innensenator zwischen uns, das lief sehr gut. Heinrich is scharf! Wir hockten da auf'm Sofa vor der Glotze und soffen Bier mit Zaziki, zwischendurch ham'wa gekotzt und auch viel geraucht, und Heinrich immer dabei. Wir wieder Negerwitze erzählt, Heinrich lachte. Wir schickten ihn Currywurst holen, Heinrich holte Currywurst. Voll in Ordnung.

Wo hatte der die Wurst her?

Die hatte ein Redakteur vorher besorgt, sonst wär uns der Lummer ja werweißwohin fortgelaufen. Beim zweiten Mal allerdings hatten wir Thomas Ebermann auf'm Sofa, der hat sich total verweigert. Alle haben ihn dafür gehaßt.

So wie ihr mit den Promis umspringt, müssen die sich doch von Stuntmen doubeln lassen.

Nunja, es wird schon schwierig, Mitspieler zu finden. Schönhuber hat schon abgewinkt. Aber demnächst machen wir's ein bißchen bunter, so als Magazin mit Filmeinspielungen, dann kommt's auf die Gäste nicht mehr so an.

Wann sehen wir hier das auch?

Wenn das ein Erfolg wird, dann wird „Spiegel-TV“ das wohl andern Sendern anbieten.

Trägst du dich schon mit neuen Figuren?

Eigentlich nicht. Tante Frieda und Günther, der Treckerfahrer, und Kurt, die sind ja alle aus purem Zufall entstanden, dafür war die Anarchie bei ffn gut.

Und der „Kleine Tierfreund“? Wie habt ihr den zusammengebastelt?

Der hat als Vorfahren einerseits den Typus des alten Volksschullehrers mit Kleppermantel, Herrensandalen und Notabitur, andererseits den guten betulichen Radio-Onkel mit der großen Gleichmütigkeit allen Schulfunks.

Nun klingt der bei dir schon, als täten's die Batterien nicht mehr lange.

Ja, der rührende Sprachfehler erlaubt ihm natürlich erst, all diese brutalen Sachen zu sagen: Ich gdille heud abent mein Meerdschweinkchen...Im Grunde ist das ja ein Sympathieträger.

Weil der Sprachfehler unsern Brutpflegeinstinkt mobilisiert?

Genau das isses.

Hast du ein Haustier?

Bei meinem Lebenswandel? Nein.

Lieblingstier?

Unbedingt der Frosch, der im lauwarmen Wasser rumhängt und einen angenehmen Lebenswandel pflegt.

Tust du als Tierfreund wenigstens was für die bedrohte Kreidler-Population?

O ja. Niemand trägt wie ich den Kreidler-Gedanken in die Welt hinaus.

Hast du so eine schöne alte Florett?

Ja. Baujahr 65, von einem alten Opa in Jöllenbek gekauft. Früher hab ich sie auch noch selbst bewegt. In den Sechzigern war da ja der Traum von uns Jungens, so'n Kleinkraftrad: schnell, laut, bissig, gemein.

Deine Figuren kommen aus der Provinz. Du auch?

Ich sag nur: Oberholsten im Wiehengebirge, 250 Einwohner, ganz schlimm.

(Zwei Jungens, offenbar Fans, kommen plötzlich auf Wischmeyer zu)

Erster Fan: Sachmaa, haste noch

diese T-Shirts mit „Nichts reimt sich auf Uschi“?

Wischmeyer: Glaub ja. Schreib mal dein Namen hin. Wieviele?

Zweiter Fan: Zwei...nee, acht.

(beide ab)

Was hast du früher gemacht?

Philosophie studiert, Schwerpunkt Erkenntnistheorie. Examen gemacht, rumgelebt, acht Bücher geschrieben...

Acht Bücher?

Ja, Nachnamenbücher. War so eine Idee von einem Verlag. Das Buch „Meyer“, und alles drin über den Namen, Herkunft, berühmte Träger, Orte, die so heißen. Dasselbe für Müller, Wagner, Fischer, Schmidt und so fort. Schlaue Idee, hat nicht geklappt, aber ich hab acht solcher Bücher vollgeschrieben, eins pro Monat, in einem Affenzahn.

Gibt es Komiker, die deiner Verehrung würdig sind?

Monty Python sind die größten. Wenn wir hier die Hälfte hinkriegen von dem gemeinen Zeug, was die schon vor dreißig Jahren gemacht haben, dann ist noch Hoffnung. Interview: Manfred Dworschak