Scipio will nicht in den Europahafen

■ Neue Erkenntnisse in Sachen Fruchtumschlag: Treuarbeit korrigiert sich

Häfensenator Uwe Beckmeyer und Bürgermeister Klaus Wedemeier können froh sein, daß sie am 29.4. im Senat überstimmt worden sind. Der SPD-Landesvorstand kann froh sein, daß die „SPD-Bank“ nicht in Parteidisziplin geschlossen abgestimmt hat, sondern einige ihren eigenen Kopf benutzt haben. Nur so wurde eine eklatante Fehlentscheidung vermieden.

Scipio-Chef Wessels (CDU) hatte publicity-trächtig gedroht, mit seinem Betrieb nach Hamburg abzuwandern, wenn der Senat nicht zügig über die Modernisierung des Fruchtumschlags entscheiden würde. Häfensenator und Bürgermeister beugten sich dem Druck, der durch ein Treuarbeit-Gutachten untermauert war: Der Fruchtumschlag sollte im Europa-Hafen bleiben. Eine spontane Koalition aus FDP-, Grünen- und einigen SPD-SenatorInnen im Ampel-Senat hielt dagegen — der Senat beschloß, die Entscheidung noch einmal auf den 2. Juni zu vertagen.

Inzwischen gibt es erfolgversprechende Verhandlungen über einen Standort Bremerhaven (ABC-Flächen) für den Fruchtumschlag. Zudem ist der Treuarbeit aufgefallen, daß die Zahlen, mit denen die Bremer Lagerhausgesellschaft sie für das Gutachten gespickt hatte, falsch waren. Eine der taz vorliegende Überarbeitung des Treuarbeit-Gutachtens kommt zu ganz anderen Ergebnissen. Zum Beispiel: Der Fruchtumschlag braucht drei Anlegeplätze und eine Wassertiefe von 8,50 Metern (SKN), davon war die Treuarbeit im April ausgegangen. Die überarbeitete Fassung stellt jetzt fest, daß der dritte Liegeplatz im Jahr 1991 nur von zwei Schiffen angelaufen wurde.

Für die nächsten Jahre ist die größte Steigerung der Frucht-Importe dabei aus Südafrika und Neuseeland prognostiziert — dafür werden große Kühl-Schiffe verwendet, zwei Anlegestellen dürften voll ausreichen. Das Wasser muß aber mehr Tiefe haben als die 8,50 Meter SKN im Europahafen. Dort wäre es erforderlich gewesen, die neue Anlegestelle als Stromkaje zu bauen. Die gekühlten Früchte müßten einen Kilometer durch die Sonne transportiert werden, für Scipio- Chef Wessels ein Alptraum und ein Argument gegen den Europahafen. Wessels: „Die BLG will diese Stromkaje, ich nicht.“ Baukosten, die im damaligen Treuarbeit-Gutachten nicht eingearbeitet waren: 25 Millionen. Und diese Stromkaje würde erst 1996 fertig.

Im April war die Treuarbeit zu dem Schluß gekommen, daß eine Verlegung des Fruchtumschlags auf die ABC-Flächen in Bremerhaven nicht möglich sei. Auch das war falsch. „Wir sind uns mit Herrn Harms einig, daß das machbar wäre“, sagte Wessels gestern zur taz.

Während das Treuarbeit-Gutachten im April die erforderlichen Investitionen im Europahafen mit 62 Millionen beziffert waren und Bremerhaven durch 228 Millionen Investionskosten „geoutet“ wurde, rechnet die Treuarbeit heute mit 87 Millionen für den Europahafen, für Bremerhaven nach BLG-Angaben 139 Millionen. „Wir wollen Fair play machen“, sagt Wessels. „Wir kommen auf 40 Millionen weniger.“ Zum Beispiel will die BLG in Bremerhaven von der Stadt einen neuen Kran gebaut bekommen. Wessels: „Wir können den alten Kran mitnehmen.“ Einsparungen: ca. 24 Millionen.

Den 150 Scipio-Arbeitsplätzen, die mit erheblichen staatlichen Infrastruktur-Kosten sehr teuer bezahlt sind, hält der Wirtschaftssenator in einer internen Studie vom 15. Mai entgegen, daß eine moderne Gewerbestruktur in diesem citynahen Bereich bis zu 10.000 Arbeitsplätzen bringen könnte. Das hatte die Treuarbeit im Auftrage des Häfensenators überhaupt nicht berücksichtigt. K.W.