Streit um obersten Bücherwurm

■ Nach eineinhalbjährigem Gerangel um Besetzung des Direktorenpostens der Amerika-Gedenkbibliothek droht Kultursenator Fusion mit der Stadtbibliothek an

Kreuzberg/Schöneberg. Kultursenator Roloff-Momin hat angekündigt, er werde das »Führungsproblem in der AGB schnell in den Griff« kriegen — notfalls mit einer Struktur zwischen der Amerika-Gedenkbibliothek und der Berliner Stadtbibliothek im Bezirk Mitte, »die bisher nicht dagewesen« ist. Gemeint ist damit offenbar ein Zusammenschluß der beiden Bibliotheken. Nach inzwischen eineinhalbjähriger Vakanz auf dem AGB-Direktorenposten hatte bei der laufenden Bewerbung ein Kandidat überraschend zurückgezogen. Dies sei geschehen, weil der Bewerber »mit dem Verfahren nicht einverstanden« war, so Ulrich Roloff-Momin in der Hörfunksendung Rias-Runde.

Werner Stephan von der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main hätte sich zusammen mit einer zweiten, derzeit in Bielefeld beschäftigten Kandidatin bei einer Anhörung den Fragen der AGB-Belegschaft stellen sollen. Der offizielle Grund für den Rückzug lautet, Stephan wolle in Frankfurt bleiben. Die in Kreuzberg gelegene Bibliothek unternimmt damit erneut Anlauf, um einen Direktor an die Spitze ihres in schweren Nöten befindlichen Bücher- und Medienhauses am Halleschen Tor zu bekommen. Erst im August letzten Jahres waren zwei BewerberInnen in der Belegschaftsanhörung durchgefallen. Die beiden letzten Direktoren, Peter Liebenow und Klaus Bock, hatten die AGB jeweils »offiziell aus gesundheitlichen Gründen« verlassen; letzterem hatte die Personalversammlung ganz förmlich und mit großer Mehrheit »das Mißtrauen« ausgesprochen.

Nach dem Rückzieher von Stephan ist es in der neunköpfigen »Findungskommission« für den Direktor zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Die beiden Vertreterinnen der AGB wollen weiterhin, daß sich zwei BewerberInnen der AGB-Belegschaft vorstellen. Dagegen, so der Sprecher des Kultursenats, Rainer Klemke, gebe es Bedenken im »bibliothekarischen Establishment«. Die Kandidaten würden dabei »verbrannt«, konkretisierte Klemke die Zweifel der Findungskommission, die nur noch die Bielefelder Kandidatin im Rennen sieht. Die Anhörung soll am 10. Juni stattfinden.

Starke Worte brauchte Roloff- Momin für das »Führungsproblem der AGB«. »Blankes Unverständnis« sei ihm entgegengeschlagen wegen des Gedankens einer öffentlichen Vorstellung der Kandidaten: »Das wäre sozusagen Majestätsbeleidigung der Herren und Damen Bibliotheksleiter«, so Roloff-Momin. Er entgegnete dem, daß es sich um »hervorragend besoldete Leiterpositionen« handle. Wer sich dafür interessiere, werde »sich öffentlich auch in der AGB vorzustellen haben.« Christian Füller