Beamte wollen Berlin nicht verlassen

■ Die Entscheidung, Bundesämter und Institutionen aus Berlin zu verlagern, stößt auf Widerstand/ Umweltbundesamt soll nach Sachsen-Anhalt/ Betroffen auch entwicklungspolitische Organisationen

Berlin. Die Vorschläge der Föderalismus-Kommission, verschiedene Bundesbehörden und Institutionen von Berlin in andere Bundesländer zu verlagern, stößt auf wenig Gegenliebe. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) wendet sich weiterhin gegen einen Verlegung des Bundesverwaltungsgerichts aus der Hauptstadt nach Leipzig. Berlin werde seine ablehnende Haltung gegen diesen Vorschlag der Bonner Föderalismus-Kommission in der jetzt anstehenden parlamentarischen Behandlung aufrechterhalten, kündigte Senatssprecher Dieter Flämig gestern an. Für einen »schrittweisen Umzug« des Umweltbundesamtes von Berlin nach Sachsen-Anhalt plädierte der Präsident Heinrich von Lersner. Beginnen könne man am besten mit der Einrichtung eines ohnehin neu zu schaffenden »Integrierten Umweltbeobachtungszentrums« als Außenstelle.

Als »sehr schlecht« bezeichnete der Sprecher des Amtes Hans-Jürgen Nantke die Stimmung in seiner Behörde, nachdem die Umzugspläne am Freitag öffentlich wurden. Ein Großteil der rund 850 Beschäftigten hätten bereits signalisiert, daß sie den Umzug nicht mitmachen würden. Nantke befürchtet ein weiteres »Ausbluten« seiner Behörde: Schon jetzt sei Personal durch Abordnungen in die neuen Bundesländer verlorengegangen, neue Mitarbeiter in der Übergangsphase zu bekommen werde »sehr schwierig« sein. Das Amt, das 1974 in Berlin gegründet wurde, arbeitet seit Jahren mit verschiedenen Berliner Wissenschaftsinstitutionen erfolgreich zusammen. Das von den Befürwortern vorgebrachte Argument, gerade Sachsen- Anhalt sei als belastete Industrieregion für das Umweltbundesamt prädestiniert, nannte Nantke »einen Witz«. Für die konkrete Arbeit sei »keine Altlast vor der Tür« notwendig, sondern »intakte Wissenschaftstrukturen«. Der Umzug — im Gespräch sind Halle, Dessau und Wolfen bei Bitterfeld — könne daher nicht mehr als »Symbolcharakter« haben. Ein arbeitsmarktpolitischer Effekt sei nicht zu erwarten, da die wissenschaftlichen Stellen (derzeit rund 400) bundes- und europaweit ausgeschrieben werden. Nantke hob hervor, daß besonders die interdisziplinäre Forschung zwischen Geistes- und Naturwissenschaftlern bei einem Umzug Schaden nehmen könnte: »Das bisher angesammelte Know-how wird zerstört werden.«

Auch bei der »Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung« (DSE), dem »Deutschen Entwicklungsdienst« (DED) und beim »Deutschen Institut für Entwicklungspolitik« (DIE) herrscht Katerstimmung. Beim DSE (140 Mitarbeiter) — spezialisiert auf Fortbildung des mittleren Managements — herrscht noch Unklarheit, wohin die Reise überhaupt gehen soll. Wie Annette Hornung vom DSE erklärte, habe Bundeskanzler Helmut Kohl bei einem Besuch im Mai »einen adäquaten Ersatz am Rhein« versprochen. Aus dem Sitz des Instituts in der »Villa Borsig« in Tegel wolle Kohl eine Residenz oder ein Gästehaus machen. Hornung befürchtet, daß durch den Umzug die »dreißigjährige Kontinuität unserer Berliner Arbeit« in Mitleidenschaft gezogen werde. Zudem sei gerade für Osteuropäische Teilnehmer Berlin ein »idealer Standort«. Auch der DED hält wenig von den Umzugsplänen. Sprecherin Inge Klostermeier bezeichnete die Stimmung »als nicht gut«. Beeinträchtigt vom Umzug wäre die Betreung der Entwicklungshelfer im Ausland. Gerade sie seien auf die verläßliche Arbeit der Zentrale in Berlin angewiesen. Durch den geplanten Umzug nach Bonn würde es »zwei bis drei Jahre dauern, bis wir wieder reibungslos arbeiten könnten«, so Klostermeier. Als »wünschenswert« bezeichnete sie einen Umzug an den Rhein im Rahmen des geplanten »Internationalen Nord- Süd-Zentrums« der UNO. Die Chancen für ein derartiges Zentrum, das einem entwicklungspolitischen Austausch dienen könnte, seien aber derzeit »eher schlecht«. Für Berlin spräche das »breitgefächerte Angebot«, etwa des Lateinamerika-Instituts der FU oder die Ibero-Amerikanische Bibliothek. Dies sei besonders wichtig zur Vorbereitung der Entwicklungshelfer.

Verärgert reagierte auch die »Bundesversicherungsanstalt für Angestellte« (BfA). Größere Teilbereiche der 20.000 Mitarbeiter umfassenden Behörde sollen in die neuen Länder verlagert werden. BfA-Präsident Herbert Rische befürchtet Beeinträchtigungen bei der Arbeitsfähigkeit. Im Interesse der Versicherten könne dies nicht hingenommen werden. Durch die Umsetzung der Rentenüberleitung auf die neuen Länder seien die Arbeitskapazitäten der BfAauf Jahre hinaus restlos ausgelastet. Nach der Vorlage der Kommission, die am Mittwoch im Bundestag debattiert wird, sollen in die neuen Bundesländer neben Teilen der BfA, des Umweltbundesamtes und kleineren Behörden folgende Institutionen: das Bundesverwaltungsgericht, der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes, Oberbundesanwalt, Landwirtschafts-Berufsgenossenschaft. Für eine Verlagerung nach Bonn sind unter anderem neben entwicklungspolitischen Behörden das Bundesgesundheitsamt, das Bundeskartellamt und die Bundesbaudirektion vorgesehen. sev