Wetterextreme auf dem Vormarsch

■ Schwere Schäden durch anhaltende Trockenheit: Ernteeinbußen von bis zu 30 Prozent/ Klimatologe: »Indizien auf dem Weg zum Treibhauseffekt«

Berlin/Brandenburg. Nach drei Wochen Trockenheit scheint es so, als hätten die Wettergötter das Stoßgebet der Bauern und Gärtner endlich erhört. Spätestens heute oder morgen wird in der Berliner Region ein Gewitter herniedergehen und den ersehnten Regen bringen. Doch der Schaden, der durch die langanhaltende Trockenheit in der Landwirtschaft eingetreten ist, ist nicht wieder gutzumachen. Zwanzig bis dreißig Prozent des Sommergetreides, so die Schätzung des Referatsleiters beim Brandenburger Landwirtschaftsministeriums, Bernd Kunitzki, sind bereits vertrocknet. Auch beim Wintergetreide und beim Raps rechnet Kunitzki mit Ernteeinbußen von zehn bis zwanzig Prozent. Betroffen davon sind vor allen die Bauern in Regionen der märkischen Streusandbüchse, und das sind etliche: 35 Prozent von Brandenburgs Äckern bestehen zum überwiegenden Teil aus Sand, soviel hat kein anderes Bundesland. Wenn die Ernteeinbußen nicht noch größer werden sollen, dann braucht es in den kommenden Tagen und Wochen jedoch mehr als einen handfesten Gewitterguß: »Ein einmaliger starker Regen fließt einfach davon, den kann der Boden gar nicht aufnehmen«, weiß Kunitzki. »Am besten wäre, wenn es mindestens drei Tage schön sachte regnet, aber so ein Landregen ist wohl erst mal nicht in Sicht.«

Trockene Sommer sind im Berliner Raum keine Seltenheit und somit auch kein Grund zur Beunruhigung. Absolutes Novum ist jedoch die große Trockenheit im Mai. Seit Beginn der Messungen der Niederschläge im Jahr 1908 hat es keinen Mai gegeben, in dem es so wenig geregnet hat wie in dem hinter uns liegenden. Ganze 25,2 Millimeter kühlendes Naß haben die Metereologen in ihren Meßtöpfchen registriert, normal wären 49 Millimeter gewesen. Auch die Sonnenscheindauer war mit 302 Stunden schon fast phänomenal. In diesem Jahrhundert gab es nur acht Maienmonate, in denen die Lebensspenderin Sonne mehr als 300 Stunden vom Himmel lachte: 1915,1917,1925,1943,1980,1989, 1990 und 1992.

Die auffällige Häufung in den letzten drei Jahren macht nicht nur wettersensible Laien stutzig. Der Metereologe und Klimatologe Horst Malberg warnt zwar davor, deshalb schon von einer eindeutigen Kilmaveränderung zu sprechen, weil der Mai nicht umsonst Wonnemonat heiße und im Durschnitt sonnenreich und niederschlagsarm sei. Allerdings könne die Häufung der sonnenreichen Maimonate in den letzten drei Jahren durchaus als »kleines Indiz dafür angesehen werden, daß wir auf dem Weg zum Treihauseffekt sind«.

In Malbergs Auflistung der Indizienkette formiert der Mai jedoch erst an letzter Stelle. Das deutlichste Zeichen für die derzeitige »Übergangsphase zum Treibhauseffekt« ist für den Metereologen die drastische Zunahme der schweren orkanhaften Stürme über dem Atlantik. »Früher waren es etwa fünf im Jahr, seit Ende der Achtziger werden jährlich zehn bis fünfzehn gemessen.« Weiteres vielzitiertes Indiz sei natürlich der globale Temperaturanstieg um 0,5 Prozent in diesem Jahrhundert und die Tatsache, daß sich die Fläche der eisbedeckten Meere in den letzten fünfundzwanzig Jahren verringert habe. Weiteres Indiz sei, daß sich die milden Winter seit Beginn der achtziger Jahre gehäuft hätten.

Die größte Gefahr sieht Malberg jedoch nicht in dem weiter drohenden Temperaturanstieg sondern in der Niederschlagsentwicklung. Er befürchtet, daß es zu großen regionalen Verschiebungen kommen kann. Die Folge wäre, daß sich der Getreideanbaugürtel um Hunderte von Kilometern nach Norden in die sibirische Tundra und nach Nord-Kanada verschiebe. Daß Berlin zur Sahelzone wird, glaubt Malberg nicht; aber daß hier in den kommenden Jahrzehnten ein Mittelmeerklima mit mediterranen Zügen Einzug halte, hält er durchaus für denkbar. »Die Folgen wären katastrophal, weil sich die ganze vegetative Substanz total umstellen muß.« Einig ist sich Malberg mit vielen seiner Kollegen darin, daß es keinen Sinn habe, auf lokaler Ebene Energie einzusparen, weil der Treibhauseffekt ein globales Problem sei.

Den brandenburgischen Referatsleiter beim Landwirtschaftsministerium Bernd Kunitzki hat die Mai Trockenheit sehr erschüttert. »Das ist vollkommen neu. Auch sonst haben sich die Wetterextreme in den letzten fünf Jahren auffallend gehäuft, das sollte einen schon zum Nachdenken anregen.« Plutonia Plarre